Dusk

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Wörter: 1481

Poppy ging durch die Straßen des Barrels. Es dämmerte bereits, allerdings war es noch nicht so dunkel, dass er Angst hätte durch den Barrel zu laufen. Die Gefahren nahmen zwar mit jedem Fünkchen Licht, das verschwand, zu, aber wann war es im Barrel schon mal ungefährlich. Er war es gewohnt. Anfangs hatte Poppy eine Riesenangst überhaupt rauszugehen, aber nur im Barrel konnte er sich eine Wohnung leisten und er musste schließlich arbeiten, um Geld zu verdienen, also blieb ihm nichts Anderes übrig als rauszugehen. 

Mittlerweile hatte Poppy sich daran gewöhnt und auch mit den Gefahren abgefunden. Er hatte sich eine Waffe zugelegt, die er immer bei sich trug. Ihm war bewusst, dass das eines Tages zu seinem Verhängnis werden könnte, aber er wusste auch, dass es ihm eines Tages vielleicht das Leben rettete.

Seit er Kaz kannte, verließ er sich allerdings weniger auf die Pistole als auf die Krähen. Er kannte Kaz und wusste, dass er seinen Freund nie aus den Augen ließ. Gut, er glaubte es. Er hoffte es. Diese Hoffnung gab ihm Mut. Ohne Kaz und seine Krähen würde Poppy sich auch sicher weniger trauen in Kleidern das Haus zu verlassen. Früher hatte er sie nur auf der Bühne getragen, jetzt trug er sie auch auf der Straße und fühlte sich recht wohl dabei. 

Dennoch wusste Poppy nicht, ob er im Moment wollte, dass Kaz ihn im Auge hatte. Er war im falschen Bereich des Barrels, dieser Bereich gehörte den Black Tips. Kaz hasste es mehr als alles andere, wenn er sich hier aufhielt. Vor allem weil es sich mittlerweile herumgesprochen hatte, dass er Kaz wichtig war. Es war seine Schuld gewesen. Er hatte es verraten. Und Kaz hatte daraufhin die Beziehung beendet und wochenlang nicht mit ihm geredet. Allerdings konnten sie am Ende beide nicht ohneeinander und sind wieder zusammengekommen.

Aber seitdem hat Kaz' Beschützerinstinkt für Poppy sich um das Tausendfache verstärkt. Und er erinnerte ihn immer wieder, dass er ihn im Gebiet der Black Tips nicht schützen konnte. Er konnte niemanden aus ihren Reihen verletzen ohne die Dregs ans Messer zu liefern. Kaz wusste es. Poppy wusste es. Die Dregs wussten es. Und die Black Tips wussten es. 

Poppy war das klaffende Loch in Kaz Brekkers Sicherheit, in seinem Schutzwall. Er war der Schwachpunkt, den Kaz in jeden seiner Pläne einbeziehen musste. Poppy war Kaz' Schwachpunkt. Aber das war nicht das Schlimmste. 

Poppy war der Schwachpunkt von Dirty Hands. 

Kaz hasste Poppy auf eine gewisse Weise dafür und Poppy wusste es. Doch er liebte Kaz und war zu egoistisch, um ihre Beziehung erneut zu beenden. Er war sich ja nicht mal sicher, ob das den Schwachpunkt eliminieren würde. Wenn er sich je entschied, Schlusszumachen, musste er darauf vertrauen, dass Kaz so traurig werden würde, dass er sauer wurde und Poppy und jede Erinnerung und jedes Gefühl an ihn zu löschte. Aber er hoffte, dass es nie soweit kommen würde.

Poppy sah zum Himmel. Es wurde immer dunkler und anstatt sich auf den Krähen Club zuzubewegen, bewegte er sich genau davon weg. Er musste noch etwas besorgen und es musste heute sein. In den nächsten Tagen würde er keine Zeit haben, aber er brauchte es. Dringend. Und er konnte nichts dafür, dass der einzige Laden in ganz Ketterdam, der verkaufte, was er brauchte, im Gebiet der Black Tips lag.

Poppy konnte nicht einschätzen, ob die Dregs oder die Black Tips oder welche Gang auch immer im Barrel am stärksten war. Und er traute sich nicht, Kaz zu fragen. Der würde ihn nur wieder so herablassend und verständnislos ansehen und eine Antwort würde er dennoch nicht erhalten. Darauf konnte er gut verzichten. 

Poppy war zu sehr in Gedanken versunken - Gedanken an Kaz, den Barrel, Ketterdam, Gangs, die Gangrivalitäten und seine Sicherheit -, um zu bemerken, wie sich zwei Männer von hinten an ihn anschlichen.

Erst als jemand seine Arme packte und ihn fixierte, realisierte Poppy, dass er nicht aufgepasst hatte, was er tat. Und auf einmal bereute er es sehr, an diesem Morgen eine halbe Stunde länger im Bett geblieben zu sein und beim Einkauf gebummelt zu haben. Hätte er dies nicht getan, dann wäre er nicht so spät dran und er würde jetzt nicht festgehalten werden.

Six of Crows OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt