You are normal

891 35 5
                                    


Wörter: 1778

Jesper saß im Krähen Club an einem Tisch und flirtete mit einem Junge, der einige Tische weiter saß. Kaz beobachtete die beiden und hatte absolute keine Ahnung, was gerade passierte. "Was?" murmelte er. "Huh?" fragte Jesper verwirrt. Er hatte definitiv nichts Anderes mehr mitbekommen. "Ich habe nichts gesagt." log Kaz. "Oh." Jesper sah wieder zu dem anderen Jungen.

Kaz beobachtete, wie Jesper sich auf die Lippe biss und grinste und lautlose Worte sprach. Plötzlich stand auf: "Gib mir.. irgendwas zwischen 10 und 90 Minuten." Jesper ging zu dem Jungen und nahm seine Hand. Er zog ihn mit sich und sie verschwanden durch die Tür in den Lagerraum der Bar.

Kaz verstand das alles nicht. Er war nicht dumm, natürlich wusste er, dass Jesper in dem Lagerraum Sex haben würde - gut, dass in Ketterdam keiner vernünftig die Hygiene-Regeln beachtete, die in Einrichtungen, wie Bars und Clubs herrschen sollten -, aber das wusste er auch nur aus Erfahrung. Die ersten paar Male hatte Kaz keine Ahnung, was sie taten. Kaz verstand es nicht. Er hatte es nie verstanden.

~*~*~

Jesper ließ sich neben Kaz auf den Stuhl fallen. Sein Hemd war noch immer halboffen, seine Brust wies Knutschflecke auf, die Kaz nicht nachvollziehen konnte. "Warum? Warum hast du mit diesem Mann geschlafen?" fragte Kaz. "Weil... Weil ich wollte?" erwiderte Jesper verwirrt. "Ja. Ja, natürlich, klar." Kaz stand auf und verließ den Club. Er hasste es, etwas nicht zu verstehen. Und er verstand absolut nicht, warum Jesper ständig mit jemandem schlief.

Als er endlich im Verhau ankam, ließ er sich einfach auf das Bett fallen und starrte die Decke an. Was stimmte nicht mit ihm? Wieso wollte er das nicht? Wieso hatte er noch nie Sex mit jemandem gehabt? Wieso hatte er sich nie selbst angefasst?

Er krallte seine Finger in die Bettdecke. Dann stöhnte er genervt und trat mit dem gesunden Bein gegen das Fußende des Bettes. Wütend schrie er auf. Er hatte nie das Bedürfnis gehabt mit jemandem zu schlafen. Nie hatte ihn irgendetwas sexuell erregt. Zumindest glaubte er das. Aber wenn es so gewesen wäre, würde er es doch wissen, oder nicht?

Wieso hatte ihn nie etwas erregt? Wieso hatte er nie eine Erektion bekommen? Was zur Hölle war nur falsch mit ihm? Wie kaputt musste man sein, um nicht mal mit jemandem schlafen zu wollen? Was stimmte denn nur nicht mit ihm?

Keine Haut berühren zu wollen, davon kotzen zu müssen - das war die eine Sache. Aber nicht mal das grundsätzliche, das körperliche Bedürfnis nach sexueller Befriedigung zu haben, das war doch einfach nur krank. Er war kaputt, er war geisteskrank!

Wütend stand Kaz auf. Er schlug mit der Faust gegen die Wand. Es tat weh, aber immerhin spürte er etwas. Gut zu wissen, dass er immerhin noch Schmerz spürte und nicht völlig durchgebrannt war. Er schlug gegen den Spiegel und das Glas splitterte unter seiner Faust. Dennoch schlug Kaz erneut zu. Und wieder. Und wieder.

Das Glas schnitt seine Haut auf, Blut blieb an den Splittern und der Wand, dem Gehäuse des Spiegels zurück. Es schmerzte unglaublich, aber es war ihm egal.

"Kaz! Kaz, Kaz, Kaz! Hör auf, was soll denn das?!" Jesper packte Kaz' Handgelenk und zerrte ihn weg. Kaz war noch immer wirklich sauer und seine Hand schmerzte nun unglaublich. Jesper schob Kaz zum Bett: "Du bleibst jetzt besser sitzen und lässt dich verarzten, sonst kette ich dich an!" Kaz seufzte und blieb sitzen. Jesper zog seine Handschuhe an - er hatte sich eigene gekauft, in die seine langen Finger hinein passten, als er bemerkt hatte, wie große Schwierigkeiten Kaz mit Hautkontakt hatte - und nahm Verbandszeug aus einer Schublade.

Er setzte sich zu Kaz aufs Bett und wusch vorsichtig das Blut von seiner Hand, tupfte die Wunden ab. Dann verband er die Hand ordentlich und so, dass Kaz noch seinen Handschuh darüber ziehen konnte. Kaz sah Jesper an. Er betrachtete die Knutschflecke an seinem Hals, die Kratzspuren in seinem Nacken. Er wusste genau, wie die Hände des anderen Mannes gelegen haben mussten, aber er konnte es nicht verstehen.

Six of Crows OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt