~11~

441 29 3
                                    

"Und? Habt ihr euch zur Versöhnung die Zunge gegenseitig in den Hals gesteckt?", fragte Lilly grinsend, als sie mit den anderen nach draußen kam. Nein, tatsächlich hatten sich Jake und ich nicht geküsst, auch wenn er es gerne getan hätte, aber mein schlechtes Gewissen hinderte mich daran. Und gleichzeitig war ich wütend, wütend auf mich selbst. 

Warum habe ich nur zugestimmt, dass wir so tun würden, als ob nichts wäre?! Das war die bescheuertste Idee, die ich jemals gehört hatte. Davon abgesehen, dass ich auch immer noch extrem enttäuscht von Jake war, obwohl ich doch eigentlich gar kein Recht dazu hatte. Und trotzdem kann ich nicht 'nein' sagen, wenn Jake mich um sowas bittet. 

Jake verdrehte nur seine Augen über seine kleine Halbschwester, auch ich machte mir nicht die Mühe, zu antworten. Sollten sie doch denken, was sie wollen... "Okay, wir müssen Julia jetzt leider entführen, sonst werden wir heute nicht mehr rechtzeitig fertig", stellte Jessy mit einem Blick auf ihre Uhr fest und zog mich an meinem Arm einfach mit sich, wodurch ich stolperte und beinahe hingefallen wäre. 

"Jessy!", beschwerte ich mich erschrocken durch die plötzliche Bewegung. "Ciao Jake", säuselte Lilly und warf ihm einen Luftkuss zu, weshalb Jake gespielt angewidert sein Gesicht verzog, was mich zum Lachen brachte. Ich hatte Jake mit seinen Geschwistern zusammen eher selten erlebt, war aber jedes Mal erstaunt darüber, wie gut er sich anscheinend mit ihnen verstand. Klar, Hannah verhielt sich Jake gegenüber immer noch merkwürdig, was vermutlich daran lag, dass sie mal in ihn verknallt war, aber das war eigentlich das Einzige, was mir so aufgefallen war. 

~~~

"Ich weiß nicht...", fing ich unsicher an, doch Lilly und Jessy achteten nicht auf meinen Einwurf und schoben mich mit aller Gewalt in dieses Geschäft, bei dem der Preis für einen kurzen Rock höher als das Taschengeld, das ich im ganzen Jahr bekomme. Okay, ich bekam auch nur 228 € im Jahr, aber das war dafür, dass meine Eltern mir eigentlich gar nichts mehr geben müssten schon relativ viel. Aber einen verdammten Rock für 265 € zu verkaufen, war schon eine Wucht. 

Auf jeden Fall konnte ich mir sowas nicht leisten. Ich hatte ja nicht einmal Geld dabei. Und dass Jessy, Lilly oder sonst wer sein Geld für mich aus dem Fenster warf, kam überhaupt nicht infrage. Die Kleider müssten mindestens das Doppelte, wenn nicht das drei- oder sogar vierfache kosten. "Das ist viel zu teuer, lässt uns wieder gehen", bat ich Lilly und Jessy und wollte nur so schnell wie möglich aus diesem Laden raus. 

Das teuerste Kleidungstück, welches ich momentan besaß, kostete gerade mal 40 €, dementsprechend fühlte ich mich in so einem Laden mit solchen Preisen mehr als nur unwohl. Vor allem, wenn ich auf Kosten von anderen einkaufen sollte. "Ach stell dich nicht so an", schimpfte Jessy augenverdrehend. 

Wie bitte?! Ich sollte mich nicht so anstellen?! Hier kostete ein Kleidungsstück, das nicht einmal ein Viertel meines Körpers bedecken würde, ein kleines Vermögen. Letztes Jahr waren wir sicher nicht in so einem Geschäft gewesen. Widerstrebend ließ ich es also zu, dass Lilly an die Kasse ging und eine bildhübsche Mitarbeiterin holte. 

"Guten Tag, ich bin Ms. Thompson, wie kann ich Ihnen behilflich sein?", stellte sie sich vor und musterte mich erwartend. Ich öffnete zwar meinen Mund, aber kein Wort verließ ihn, weshalb ich ihn wieder schloss. "Julia ist ein wenig schüchtern, Clara", erklärte Jessy lachend. "Oh, ich sehe schon, Jessy. Was darf es denn sein?", erkundigte Ms. Thompson sich. 

"Ein Kleid und... entweder noch ein Kleid oder ein Rock und ein Top", antwortete ich zögerlich, es klang eher wie eine Frage. "Ah, ich verstehe. Für die Hochzeit und den Junggesellenabschied. Ich hätte niemals gedacht, dass Jessy jemals vor mir heiraten würde", seufzte sie verträumt. 

𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt