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Ich wusste nicht, wie lange ich schon nur herumlag, doch es war eindeutig zu lange. Als ich spürte, wie Jake meine Hand mit seinen umschloss, versuchte ich, meine Finger zu bewegen, doch es tat sich nichts. Mann, und dabei wollte ich nichts lieber als endlich wieder aufzuwachen und Jake sehen zu können! 

Alleine der Gedanke daran, wie bedrückt er wegen meinem Zustand wohl sein musste, sorgte dafür, dass sich mein Herz schmerzhaft zusammenzog und meine anderen Schmerzen überdeckte. Ich wusste noch genau, wie verzweifelt ich gewesen war, als ich realisiert hatte, dass Jake von Nick mit dem Messer abgeworfen worden war. Oder wie sehr der Anblick von ihm im Krankenhaus schmerzte. 

Und es war ja nicht das erste Mal, dass ich fast gestorben bin. Jake machte das jetzt schon zum wiederholtem Male durch. Er hatte schon ihm nahestehende Menschen sterben sehen müssen und sie für immer verloren. Umso wichtiger war es, dass ich ihn nicht auch noch im Stich ließ, sondern endlich wieder aufwachte, um ihm seine Angst zu nehmen. 

Es war ein schreckliches Gefühl, in seinem eigenen Körper gefangen zu sein. Keine Kontrolle über sich selbst oder irgendetwas anderes zu haben und auf andere angewiesen zu sein. Es war so, als ob sich die Dunkelheit über mich gelegt hätte und mich nun mit sich reißen würde. Hinab in das Reich der Toten. 

Doch ich wollte nicht sterben! Nicht wenn Jake und ich endlich wieder zusammen sein und ein normales Leben führen können. Ohne irgendwelche Mörder oder Missverständnisse. Einfach ein ganz normales Leben. Mein Halbbruder wird für seine Täten lange ins Gefängnis kommen und Jake und ich endlich in Frieden leben. 

Während ich grübelte, bemerkte ich, wie ich langsam wieder meinen Körper spürte. Und ich wünschte mir, dass ich es nicht tun würde. Ein brennender Schmerz ging von meinem Brustkorb aus und machte das Atmen für mich nahezu unerträglich. Mein Hals war staubtrocken, meine Arme und Beine fühlten sich noch taub an. Das Blut rauschte in meinen Ohren und ich hörte mein rasselndes Atmen. 

Aber ich hörte noch etwas, wodurch meine Schmerzen in den Hintergrund rückten, und ich mich einfach nur auf dieses schöne Geräusch konzentrierte. Auf den Klang von Jakes Stimme. Sein anfängliches, kaum verständliches Gemurmel wurde immer klarer, sodass ich schon bald einzelne Worte verstehen konnte. 

"... Arzt hat gemeint, dass es vielleicht helfen könnte, wenn ich mit dir spreche... Auch wenn ich mir dabei lächerlich vorkomme, aber wenn du dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass du wieder aufwachst, auch nur um ein Prozent steigt, werde ich es tun. Naja, was soll ich sagen... Du liegst seit zwei Wochen im Koma. Ich weiß, wenn man das mit anderen vergleicht, die monatelang im Koma lagen, dann sind zwei Wochen fast gar nichts, aber für mich fühlt es sich an wie eine Ewigkeit." 

Was?! Ich war schon zwei Wochen bewusstlos? Zwei Wochen lang?! Diese Information schockierte mich. Zwei Wochen waren schon vergangen und ich hatte es nicht einmal mitbekommen. Zwei Wochen, in denen das Leben einfach an mir vorbeizog, ohne dass ich an ihm teilnehmen konnte. 

"In diesen zwei Wochen ist nicht besonders viel passiert. Cleo und Marcus sind zweimal vorbeigekommen und haben sich bei mir nach dir erkundigt. Dan war auch einige Male hier. Phil war ungefähr jeden zweiten Tag hier, hatte sich wohl doch dazu entschlossen, nach seiner Lieblingsangestellten zu sehen", erzählte Jake, ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie Jake gerade sein Gesicht verzog. Der eifersüchtige Ton seiner Stimme sprach Bände. 

"Wenn du jetzt wach wärst, würdest du dich wahrscheinlich darüber lustig machen und behaupten, dass ich eifersüchtig wäre. Vielleicht bin ich es ja auch...", sprach Jake mehr oder weniger meine Gedanken aus. Wenn ich nicht bewusstlos wäre, hätte ich jetzt sicherlich gelächelt. Danach schwieg Jake eine Weile lang, er schien in seinen Gedanken versunken zu sein. 

𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt