𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜

~73~

Die nächsten Tage waren anstrengend. Wenn ich nicht gerade zu irgendwelchen Untersuchungen gebracht oder von der Polizei verhört wurde, unterhielt ich mich mit Jake oder schlief. Meistens eher zweiteres. Mein Arzt war zwar auch der Meinung, dass es besser wäre, mir Ruhe zu gönnen, damit sich mein Körper wieder schneller erholen konnte, aber die Polizisten waren der festen Überzeugung, ich müsse deren Fragen über meinen Halbbruder beantworten. So früh wie möglich. 

Und da ich mich nach Ruhe sehnte, beschloss ich, deren Fragen jetzt schon zu beantworten, damit sie mich dafür früher in Ruhe ließen. Von wegen. Seit drei Tagen kamen die Polizisten mindestens zweimal am Tag und durchlöcherten mich mit ihren Fragen. Hauptsächlich ging es um die Morde, die Nick begangen hatte. 

Diese Fragen waren nicht so einfach zu beantworten, da es kaum Beweise dafür gab, dass er wirklich etwas damit zu tun hatte. Selbst als ich den Polizisten ein bisschen von Nicks und meiner Konversation berichtet hatte, meinten sie, dass das alles zu vage wäre und sie eindeutigere Beweise bräuchten. Als ob die Sachen, die Nick mir offenbart hatte, nicht schon genug gewesen wären. 

Andererseits konnte ich es auch etwas verstehen, schließlich ging es um vier Morde. Immerhin gab es noch Phils Chatverläufe mit Darkness, die Phils Geschichte bestätigten. Ihm wurde wirklich gedroht, dass Jessy umgebracht wird, wenn er sich an eine der Abmachungen nicht hält. Mittlerweile hatte die Polizei auch herausgefunden, dass sich hinter Darkness wirklich Nick versteckte. 

Und durch die Morddrohung, die Nick Phil geschickt hatte, hatte die Polizei wenigstens einen Anklagepunkt, mit dem sie vor Gericht gehen konnten. Natürlich wurde nebenbei auch noch wegen Entführung und Körperverletzung gegen Nick ermittelt. Zumindest dafür würde mein Halbbruder sicher bestraft werden, der Sachverhalt hierbei war mehr als nur klar. 

Auch heute war die Polizei wieder da, es sollten letzte Fragen geklärt werden. Gerade eben machten sie eine kurze Kaffeepause, weshalb ich die Zeit nutzte und meine Gedanken ordnete. Die Geschehnisse waren nun schon drei Wochen her, meine Erinnerungen waren dementsprechend schon ein wenig eingerostet. 

Ich war aber froh, mich überhaupt noch an etwas erinnern zu können, obwohl es vielleicht angenehmer gewesen wäre, wenn es nicht der Fall wäre. Aber mir war es wichtig, dass ich keine größeren Schäden wegen meiner Verletzungen davongetragen hatte. 

"Miss Hale, könnten wir mit der Befragung fortfahren?", fragte der Polizist, der sich mir vor drei Tagen bereits als Officer Moore vorgestellt hatte. Er war ziemlich hochgewachsen, dürr, trug einen dunkelblauen Anzug und hatte braune, nach hinten gegelte Haare. Sein Partner, Officer Lee, war genau das Gegenteil von Mister Moore: Klein, eher dicklich, mit einer Glatze. Nur im Klamottenstil unterschieden sie sich nicht, denn auch Lee trug einen schwarzen Anzug. 

Officer Lee biss gerade genüsslich in seinen Donut rein und schlürfte noch seinen Kaffee leer, während Moore auf eine Antwort wartete. "Ja", seufzte ich, ich sehnte mich schon danach, endlich diese letzte Befragung hinter mir zu haben und bald aus dem Krankenhaus entlassen zu werden. 

"Gut, Sie haben uns über fast alle Geschehnisse über Ihre Entführung und körperliche Misshandlung in Kenntnis gesetzt, doch etwas haben Sie uns noch nicht erklärt, was wir aber fürs Protokoll wissen müssten", sprach Moore und sah mich eindringlich an. Ich fühlte mich unter seinem Blick so, als ob ich die Täterin wäre und nicht das Opfer. 

"Wie genau ist es zu dem Schusswechsel gekommen?", fragte Lee, Moore warf ihm einen bösen Blick zu. Offensichtlich gefiel es ihm nicht, dass Lee die Frage gestellt hatte und nicht er. Lee zuckte nur unbeeindruckt mit seinen Schultern und stopfte sich das letzte Stück seines Donuts in seinen Mund. 

Ausdruckslos sah ich zwischen Lee und Moore hin und her, mir war es bisher ziemlich gut gelungen, die Bilder davon aus meinem Gedächtnis zu verbannen, doch nun brachen sie über mich herein und lähmten mich vollkommen. Ich hätte meinen Halbbruder töten können!