Am nächsten Morgen (oder Nachmittag?) wachte ich nach gefühlt viel zu wenig Schlaf auf und setzte mich auf. Scheiße, tat mein Rücken weh... Es gab eindeutig angenehmeres als auf dem Boden zu schlafen. Vor Schmerz zischend rieb ich mir den Rücken ein wenig, um meine Muskeln aufzulockern, bevor ich schließlich aufstand, um mir mal kurz meine Beine zu vertreten.
Ich musste mir langsam einen Fluchtplan überlegen. Zuerst müsste ich diese Handschellen von meinen Händen lösen. Dafür müsste ich bei der nächsten Gelegenheit dem Mann ohne Gesicht die Schlüssel entwenden. Wenn er die denn überhaupt dabei hatte. Das würde sich allerdings schwierig gestalten, da ich den Mann ohne Gesicht dafür ziemlich nah an mich heranlassen müsste, wodurch ich auch ein gewisses Risiko eingehen würde.
Aber was sollte denn noch schlimmeres passieren, als das, was sowieso schon bevorstand?
Das nächste Problem lag dabei, dass ich keine Ahnung hatte, wo genau ich festgehalten wurde. Wie es außerhalb dieses Raumes aussah oder wie ich hier herauskommen könnte. So konnte ich unmöglich einen genauen Weg festlegen, der mich auch wirklich herausführen würde.
Das Zimmer selbst zu verlassen dürfte keine große Schwierigkeit darstellen, ich müsste einfach nur den Zeitpunkt abwarten, bei dem der Mann ohne Gesicht wieder zu mir kommen würde. Ihn kurz ablenken und dann davonrennen.
Aber solange ich mich hier auskannte, wäre ein Fluchtversuch schon vorher zum Scheitern verurteilt. Doch wie sollte ich die Umgebung auskundschaften? Der Mann ohne Gesicht würde mich wohl kaum durch das Gebäude führen, damit ich mir einen Fluchtplan überlegen könnte. Und selbst wenn ich die ganzen Punkte abgearbeitet hätte, musste ich davon ausgehen, dass ich gerade irgendwo im Nirgendwo war, also mir überlegen müsste, wie ich weit und vor allem schnell genug von hier wegkommen könnte. Ohne Auto oder ähnlichem würde es ziemlich schwierig werden.
Als ich meinen Blick nachdenklich durch den Raum schweifen ließ, fiel mir auf, dass neben dem Teller mit der Brotscheibe noch ein Teller mit einer weiteren Brotscheibe stand. Er war also hier gewesen, während ich geschlafen hatte. Normalerweise war ich ein Mensch, der bei jedem kleinsten Geräusch aufwachte, weshalb es mehr als nur beängstigend war, dass ich nicht mitbekommen hatte, wie der Mann ohne Gesicht den Raum betreten hatte.
Somit könnte er mir jederzeit etwas antun und ich würde es erst viel zu spät bemerken... Schnell schüttelte ich diese finsteren Gedanken ab und dachte weiter nach. Wenn ich doch bloß mein Handy hier hätte... Aber wenigstens war es auch nicht im Besitz meines Entführers, sondern immer noch in Phils Wohnung.
Ob Phil schon nach mir suchte? Naja, nachdem ich sicherlich schon über einen Tag verschwunden war, war es nicht gerade unwahrscheinlich. Doch selbst Phil wird mir momentan nicht helfen können. Wie denn auch? Er war weder IT-Spezialist noch gab es selbst für IT-Profis keine Möglichkeit, mich ausfindig zu machen, weil ich mein Handy nicht bei mir hatte.
Und wie sollte man sonst einen Menschen ausfindig machen? Mit Spürhunden? Das funktionierte auch nur, wenn man nicht ganz sicher mit einem Auto an einen anderen Ort gebracht wurde. Seufzend verdrängte ich die Gedanken, denn ich war sowieso nicht in der Lage, von hier aus Hilfe zu holen.
Hoffentlich ging es wenigstens Jake gut... Ich wünschte mir so sehr, dass mich der Mann ohne Gesicht nicht angelogen hatte. Wollte wirklich, dass Jake 'nur' im Krankenhaus lag und ihm noch rechtzeitig geholfen werden konnte. Langsam machten mich meine Gedanken verrückt. Es war ein ewiger Teufelskreis, aus dem ich einfach nicht hinauskam. Ich konnte solange über alles nachdenken, wie ich wollte, doch ich würde am Ende eh nicht mehr wissen als zuvor.
Vermutlich hing das Gedankenkarussell damit zusammen, dass ich hier einfach zu viel Zeit und zu wenig zu tun hatte. Irgendwie musste ich ja die Zeit totschlagen und meine Flucht konnte ich noch nicht planen, ohne genaueres über meine Umgebung in Erfahrung zu bringen. Und einfach drauf los rennen war auch nicht die beste Idee. Aber vielleicht die einzige Möglichkeit.
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𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜
Fanfiction𝐅𝐨𝐫𝐭𝐬𝐞𝐭𝐳𝐮𝐧𝐠 von 𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢 Endlich war der ganze Horror vorbei: Michael Hanson war tot, Jake wurde nicht mehr von der Polizei verfolgt und Julia war auf dem besten Weg, ihren Schulabschluss zu bestehen...