Nachdem wir uns beide umgezogen hatten und kurz Essen gegangen waren, mussten wir auch sofort wieder losfahren, um pünktlich um 15 Uhr bei dem Haus von Hannahs Eltern anzukommen. Ich hatte zwar etwas Angst, dass das Gespräch aus dem Ruder laufen könnte, aber wenn ich es gar nicht versuchte, konnte es nichts werden.
Jetzt hatte ich die Möglichkeit, die Zeit mit meinem 'Vater', die wir versäumt hatten, ein bisschen nachzuholen und es wäre dumm, wenn ich es nicht tun würde. Blake wollte mich jetzt kennenlernen, also musste ich ihm doch wichtig sein, oder? Er kannte mich nicht, er war nicht so wie Julias Vater und ist nach 8 Jahren einfach so aus meinem Leben verschwunden. Laut Blake war er selber immer nur zu feige gewesen, um sich bei mir zu melden.
Das war doch auch ein Indiz dafür, dass ich ihm viel bedeute. Und alleine die Tatsache, dass er darüber gekränkt war, dass ich ihn nicht leiden kann, bewies auch schon so einiges. Mir war eigentlich nur wichtig, was Julia, Hannah und... Oh, Lilly nun ja nicht mehr. Wieder drängte sich die Traurigkeit, die ich die ganze Zeit seit Lillys Tod in mir verspüre, an die Oberfläche, sodass ich mich für einen kurzen Moment dieser Traurigkeit hingab.
"Jake, ist alles in Ordnung?", fragte Julia und musterte mich besorgt, wodurch sie mich aus meinen trübsinnigen Gedanken riss. War auch besser so, immerhin parkte ich momentan ein, da sollte ich nicht zu abgelenkt sein. "Ja, alles gut", antwortete ich ihr und lächelte matt. Julia kaufte mir diese Lüge keine Sekunde ab, hakte aber auch nicht weiter nach.
Ich wollte nicht darüber reden und sie wusste das, respektierte es sogar. Was vorhin mit mir los war, wusste ich selber nicht. Vielleicht wollte ich mich ablenken, vielleicht musste ich einfach mal wieder etwas anderes als diese endlose Traurigkeit spüren, vielleicht brauchte ich aber auch einfach Nähe. Julias Nähe. Sie machte es mir nämlich leichter, mit dem ganzen Kummer umzugehen. Oder generell mit meinen Gefühlen. Julia konnte mich auch beruhigen, wenn ich sehr wütend war, oder mich aufbauen, wenn ich mit mir selber nicht im Reinen war.
Und das schaffte sie alleine durch ihre Präsenz. Nur war das in letzter Zeit oft nicht genug. Was auch etwas daran lag, dass wir beide momentan nicht hundertprozentig ehrlich zueinander waren. Es war total dumm: wir wussten, wo das Problem lag, und dennoch änderten wir nichts daran.
Ich konnte Julia aber auch nicht damit konfrontieren, weil ich keine Beweise hatte. Davon abgesehen, dass es auch durchaus möglich war, dass ich mich einfach nur irrte und ich der Einzige war, der Geheimnisse hatte. Zugegeben, dass die Wahrscheinlichkeit dafür recht gering war, aber falsche Anschuldigungen würden uns nicht weiterbringen. Sie könnten uns sogar noch mehr zerstören als es die vermuteten Lügen sowieso schon taten.
Andererseits hatte sich auch Julia in den letzten Tag verändert. Sie war selber am Boden zerstört. Auch wenn ich für sie da sein und ihr helfen wollte, funktionierte das nicht so einfach. Ich war ja selber schon in diesem Loch, aus dem nur sie mir heraushelfen konnte. Sie ist für mich das Licht gewesen, das Licht in der Dunkelheit.
Doch es war immer schwächer geworden, bis es schließlich nur noch ein leichtes Glimmern in der Dunkelheit war. Und das in einer beängstigenden Geschwindigkeit. Mir fehlte einfach die Zeit, die wir beide sorglos verbracht hatten, beide glücklich waren und ständig dumme Witze gerissen hatten. Okay Jake, langsam wirst du echt zu sentimental.
Seufzend öffnete ich die Tür und stieg aus dem Auto aus. Schnell umrundete ich meinen Wagen und machte Julia die Tür auf. Nachdenklich betrachtete ich sie, während sie aus dem Auto ausstieg und mir ein kleines, süßes Lächeln schenkte, welches aber auch etwas gezwungen aussah. Ich hatte Julia die letzten Tage viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und war nur in Selbstmitleid versunken.
Das musste ich die demnächst unbedingt ändern. Klar, Lillys Tod war schmerzhaft und es war, denke ich, auch für Außenstehende verständlich, warum er mich so sehr mitnahm, aber ich zog mit meinem Verhalten nicht nur mich selbst, sondern auch alle in meinem Umfeld, also Julia, herunter. Alleine dafür hasste ich mich schon.
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𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜
Fanfictie𝐅𝐨𝐫𝐭𝐬𝐞𝐭𝐳𝐮𝐧𝐠 von 𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢 Endlich war der ganze Horror vorbei: Michael Hanson war tot, Jake wurde nicht mehr von der Polizei verfolgt und Julia war auf dem besten Weg, ihren Schulabschluss zu bestehen...