Keine zehn Sekunden später öffnete sich plötzlich die Tür, weshalb ich erschrocken herumwirbelte und beobachtete, wie Jake das Absperrband anhob und darunter durchkletterte. Jake. Er war hier. Bei mir. Was machte er hier? Wieso war er mir gefolgt? Jakes Anblick zerriss mir das Herz, denn er gehörte mir nicht mehr. Hatte mir eigentlich noch nie gehört. Aber das war mir erst jetzt schmerzlich bewusst geworden.
Verletzt wandte ich meinen Blick ab und versuchte verzweifelt, meine Tränen zurückzuhalten, doch es funktionierte einfach nicht. Aus den Augenwinkeln vernahm ich, wie sich Jake mir mit raschen Schritten näherte, weshalb ich zurückwich. Eine Berührung von Jake würde auch die Steine meiner ohnehin schon einsturzgefährdeten Schutzmauer einreißen.
Doch Jake ließ sich nicht davon beirren, sondern ging weiter auf mich zu, umfasste mit seiner Hand mein Kinn und drückte es sanft, aber bestimmt nach oben, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. In diese unglaublich blauen Augen, die mich schon bei unserem allerersten Treffen um den Verstand gebracht hatten. Wie auch bei unserem ersten Treffen verlor ich mich in ihnen.
Sie kamen mir so gleich und doch verändert vor. Es war so, als ob ich zum ersten Mal zum Genuss kommen würde, in seine Augen zu sehen. Und gleichzeitig zum letzten Mal. Meine Tränen liefen weiterhin stumm über mein Gesicht, bis Jake sie ganz vorsichtig mit seinem Daumen wegstrich, so als ob ich bei jeder kleinsten Berührung in tausend Scherben zerspringen könnte.
"Warum hast du mir nichts gesagt?", fragte Jake und schaute mich eindringlich an. Natürlich wusste ich sofort, was er meinte. Nervös schluckte ich und überlegte, was ich ihm antworten sollte. "Ich wollte nicht, dass du dir Vorwürfe machst", gestand ich ihm zögerlich und wollte eigentlich den Blick abwenden, doch Jake hatte mich mit seinem Blick gefangen genommen.
"Du hast recht, ich mache mir jetzt Vorwürfe, weil ich nicht für dich da war, als du mich gebraucht hättest. Ich hätte nämlich da sein müssen", entgegnete Jake verbittert, weshalb ich zusammenzuckte. Es tat mir weh, Jake so zu sehen. Er gab sich wieder die Schuld, obwohl er doch gar nichts dafür konnte.
"Bitte höre auf zu weinen", flüsterte Jake plötzlich so tieftraurig und sanft, wie ich ihn selten sprechen hören habe. Von der einen auf die andere Sekunde hatte sich Stimmung komplett verändert. Der Wut und Enttäuschung war einen unglaublichen Intensität gewichen, welche nun die Luft um uns herum zum Knistern brachte.
Während unserer Konversation hatten wir keine einzige Sekunde den Blickkontakt unterbrochen und taten es auch jetzt nicht. Wir beide sahen uns in die Augen, blickten durch diese direkt in die Seele des jeweils anderen. Ich wusste nicht, was Jake in meinen Augen sah, aber die Mischung aus Verletztheit und Zuneigung, die ich in seinen Augen erkannte, sorgte dafür, dass ich all meine Vorsätze innerhalb einer Sekunde über Bord warf und den Abstand zwischen uns überwand.
Ich küsste ihn.
Zart und gefühlvoll. Es fühlte sich so gut an, endlich wieder seine Lippen auf meinen zu spüren. All meine Gefühle des heutigen Tages und der letzten Tage, gar Wochen legte ich in diesen Kuss hinein. Von Verzweiflung und Enttäuschung bis hin zu Vertrauen und Liebe. Die unterschiedlichsten Gefühle brodelten in meinem Inneren und hatten alles andere um mich herum in den Hintergrund rücken lassen.
Das Einzige, was ich wahrnahm, war, wie Jakes weiches Haar meine Fingerspitzen kitzelte, wie die Schmetterlinge in meinem Bauch wie von Sinnen flatterten, wie unsere Lippen miteinander verschmolzen. Doch dann kamen alle Gedanken, die ich zuvor verdrängt hatte, mit einem Schlag wieder zurück.
Erschrocken zog ich meinen Kopf zurück und schlug mir meine Hand geschockt auf den Mund. Entsetzt wegen meinem eigenen Verhalten. Was hatte ich nur getan? Das, was ich gerade getan hatte, war falsch. Ich durfte Jake keine Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft machen, wenn sie doch nur in den Sternen geschrieben stand. Davon abgesehen, dass er offensichtlich eine neue Freundin hatte.
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𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜
Fanfiction𝐅𝐨𝐫𝐭𝐬𝐞𝐭𝐳𝐮𝐧𝐠 von 𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢 Endlich war der ganze Horror vorbei: Michael Hanson war tot, Jake wurde nicht mehr von der Polizei verfolgt und Julia war auf dem besten Weg, ihren Schulabschluss zu bestehen...