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Blinzelnd schlug ich meine Augen auf und stöhnte augenblicklich schmerzerfüllt auf. Jeder einzelne Muskel in meinem Körper schmerzte, mein Mund war trocken und mir brummte der Schädel. Orientierungslos sah ich mich um, doch es war viel zu dunkel, um bestimmen zu können, wo ich war. Kein einziger Mucks drang an mein Ohr, die Kälte des Raums drang mir tief in die Knochen. 

Wo war ich hier? Und wie war ich hier bloß hingekommen? Irgendwie konnte ich mich nicht daran erinnern, weshalb ich versuchte, die aktuelle Situation zu erfassen. Die Luft schmeckte stickig und staubig, doch ich konnte einen leichten Luftzug wahrnehmen. Was bedeutete, dass es hier ein offenes Fenster, eine geöffnete Tür oder einfach nur ein Loch geben musste, durch welches frische Luft in diesen Raum gelangte. 

Ich musste hier rauskommen. 

Blind stand ich auf und wollte herausfinden, woher der Luftzug kam, doch kaltes Metall an meinen Handgelenken hielt mich zurück. Waren das etwa Ketten? Panik machte sich in mir breit, langsam kamen auch wieder die Erinnerungen an heute Nacht zurück. Oh Gott, ich wurde hier vom Mann ohne Gesicht eingesperrt. 

Und Jake! War der Krankenwagen rechtzeitig eingetroffen? Konnten die Ärzte ihn rechtzeitig behandeln? Oder war es vielleicht schon... Nein, es durfte einfach nicht zu spät gewesen sein. Jake durfte nicht tot sein! Mit der Zeit gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und ich konnte den Raum genauer unter die Lupe nehmen. 

Die Wände waren alte Bruchsteinmauern, der Boden aus hellgrauem Beton. Der ganze Raum war komplett leer, nirgendwo fiel Licht hinein. Ein Gang führte hierher, ich schätzte, dass sich am Ende von diesen eine Tür befand, denn sonst konnte ich keine erkennen. Und irgendeinen Zugang musste es doch geben, oder? Außerdem vermutete ich, dass sich der Raum unter der Erde befinden musste, doch das war reine Spekulation. 

Fest stand, dass ich hier weg musste, nur wie? Mit meinen Augen verfolgte ich die Kette bis zu ihrem anderen Ende, welches an der Wand befestigt war. Auch wenn beide ziemlich alt aussahen, bezweifelte ich, dass ich in der Lage wäre, mich von der Kette zu befreien. 

Trotzdem schlug ich die Handschellen, welche am Ende der Kette befestigt waren, heftig gegen das abstehende Metallstück an der Wand, an dem die Kette hing. Wie schon erwartet erbrachte mir das Ganze recht wenig, außer schmerzende Handgelenke, da die Handschellen in meine Haut geschnitten hatten. 

Kraftlos ließ ich mich wieder auf den Boden sinken und dachte über gestern Nacht nach. Ich wünschte mir, ich hätte Phil einen Zettel hinterlassen. Wünschte, Jake wäre nicht auf diese Nachricht hereingefallen. Wenn ich ihm nicht so wichtig gewesen wäre, wäre er niemals zu dem Ort gekommen. 

Genauso wenig wäre Jake aber auch nichts passiert, wenn er einfach - genau, wie ich es gewollt hatte - abgehauen wäre, bevor der Mann ohne Gesicht überhaupt erst da gewesen war. Hätten wir uns doch bloß nicht so lange darüber gestritten und hätten einfach nach einer anderen Lösung gesucht. Es hätte sicher noch einen anderen Weg gegeben. 

Hätte ich Jake doch bloß nicht abgelenkt, kurz bevor der Mann ohne Gesicht das Messer geworfen hatte... Dann hätte Jake vielleicht noch rechtzeitig ausweichen können oder der Mann ohne Gesicht hätte gar nicht erst das Messer nach Jake geworfen. Ich erinnerte mich daran, wie verzweifelt ich den Mann ohne Gesicht darum gebeten hatte, den Notruf wählen zu dürfen, ihm gesagt hatte, dass ich Alles dafür tun würde. 

Aber wenn dadurch Jake leben konnte, würde ich auch Alles tun. Sogar mein verdammtes Leben geben! Ich fühlte mich so schuldig dafür, was Jake passiert war. Hätte mir mehr Mühe geben müssen, damit er weggegangen wäre und ihm nichts passiert wäre. Wir hätten beide vorsichtiger sein müssen, doch unsere Liebe zu dem jeweils anderen hatte uns in unser Verderben gestürzt. 

𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt