𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜

~16~

So schnell wie erhofft kamen wir aber nicht weiter. Selbst nach zwei Tagen Suche hatten wir weder die Tatwaffe noch irgendwelche anderen Spuren gefunden, durch die wir den Täter finden könnten. Keine Hautreste unter Lillys Fingernägeln, keine Videoaufnahmen, keine Fingerabdrücke, keine Zeugen, keine Fußspuren, einfach nichts. 

Und da sich sowohl Jake als auch ich sicher waren, dass dieser Angriff nichts mit Lilly persönlich zu tun hatte, suchten wir auch gar nicht erst nach Beweisen, weshalb ausgerechnet Lilly das Opfer war. Die Leiche war noch immer in der Gerichtsmedizin, weshalb wir sie nicht nach Beweisen absuchen konnten. 

Wir konnten nur mit den Erkenntnissen der Polizei arbeiten, mit den Erkenntnissen, die die Polizei mit uns teilte. Und diese waren nicht besonders viele. Auch wenn mir schon bei dem Gedanken, Lilly so blass mit den ganzen Wunden zu sehen, so leblos, war ich mir sicher, dass es besser wäre, wenn Jake und ich sie untersuchen würden, die Polizei hatte schließlich keine Ahnung, wonach sie suchen musste. 

Okay, wir wussten es eigentlich auch nicht, aber ich dachte, dass es uns in unseren Ermittlungen voranbringen könnte. Dass wir den entscheidenden Beweis erkennen würden, sobald wir ihn sehen. Jake war nach wie vor am Boden zerstört, doch anstatt das offen zu zeigen, verschloss er sich komplett und arbeitete Tag und Nacht. 

Ich versuchte zwar, ihn zum Schlafen zu bewegen, doch wenn ich ihn mal ins Bett bekam, stand er sofort wieder auf, weil er dachte, dass ich schlafen und es somit nicht bemerken würde. Von wegen. Jake und ich sprachen auch nur miteinander, wenn wir neue Erkenntnisse hatten. Also fast nie. Wir teilten unsere Ergebnisse, stellten fest, dass sie uns nicht weiterbrachten und suchten weiter. 

Jeden Tag bewegte mich Jake zum Essen, bekam aber selbst fast nichts runter. Meine Schuldgefühle zerfraßen mich und suchten mich selbst in meinen Träumen heim. Ständig träumte ich davon, wie Lilly mir die Schuld an ihrem Tod geben würde, wie sehr sie mich wegen meiner Entschuldigungen verspottet. 

Oder aber, wie ein Schatten sich von hinten anschlich und meine Liebsten umbrachte, teilweise auch mich. Jedes Mal auf brutale Weise. Und danach gaben ihre Seelen mir die Schuld. Ich musste zusehen, wie einer nach dem anderen starb, mir einen Vorwurf nach dem anderen machten. Ziemlich komische, vor allem aber beängstigende Albträume. 

Nach der ersten Nacht hatte ich den Versuch zu schlafen aufgegeben und dachte ständig darüber nach, wer dahinter stecken könnte. Wer mir das Paket geschenkt und zwei Tage später Lilly umgebracht hatte. Doch ich kam kein Stückchen weiter. Der Tatort war noch immer abgesperrt, Jake so abweisend wie noch nie zuvor und ich einfach nur mit meinen Nerven am Ende. 

Die ständige Angst, dass das noch nicht alles war, machte mich fertig, aber noch schlimmer war es, Jake so zu sehen. Ich wollte ihm helfen, aber er ließ es nicht zu. Er behauptete, dass es ihm gut ginge und dass ich mir keine Sorgen machen solle. Aber genau das tat ich: Ich machte mir Sorgen um ihn, schreckliche. 

Er schien zwar nicht selbstmordgefährdet oder so zu sein, aber er war anders geworden. Die letzten beiden Tage lächelte er kein einziges Mal, kam kaum vom Computer weg und wirkte so... Er hatte keine wirkliche Kontrolle mehr über sich, er machte alles monoton und ohne irgendwelche Gefühlsregungen. Und natürlich machte mich auch seine Kälte mir gegenüber zu schaffen. 

Abends ging ich nur der Abwechslung wegen ins Bett und weinte dort stundenlang. Weil ich nichts für Jake tun konnte. Man konnte jemandem nur helfen, wenn sich die Person auch helfen ließ. Aber er wollte nicht, das war der entscheidende Punkt. Er wollte sich in all seinen Rachegefühlen und Schmerz verlieren. 

Vermutlich dachte er sogar, dass Lilly wütend wäre, wenn er einmal so kurz nach ihrem Tod lächeln müsste. Was komplett bescheuert war, da Lilly wollen würde, dass Jake glücklich ist und sich nicht so von ihrem Tod herunterziehen lässt. Gott sei Dank bekam Jake nicht mit, wie sehr nicht nur Lillys Tod, sondern auch seine Reaktion darauf zerstörte.