Mittlerweile waren sechs Tage vergangen, seitdem ich Julia zuletzt gesehen hatte. Und dennoch kam es mir wie eine Ewigkeit vor. Auch wenn ich nicht an sie denken wollte, war sie diejenige, die die meisten meiner Gedanken für sich beanspruchte. Sie hatte mich verletzt, sehr verletzt. Jedes einzelne Wort von diesem Gespräch hatte sich in meinem Gehirn festgesetzt.
"Ich kann und werde mir nicht ansehen, wie du dich selbst zerstörst."
"Mir ist gerade einfach nur klar geworden, dass wir nicht zueinander passen. Es funktioniert einfach nicht mehr."
"Wir tun uns gegenseitig einfach nicht gut."
"Ich liebe dich aber nicht mehr."
"Nein Jake, es ist besser so. Bitte halte dich ab jetzt von mir fern. Trauer mir nicht hinterher. Werde mit einer anderen Frau glücklich und lebe dein Leben weiter. Bitte."
Das waren nur ein paar der Worte, mit denen sie mich mehr und immer mehr verletzt, ein Messer tief in mein Herz gerammt hatte. Autsch, ich hätte niemals gedacht, dass mich Worte mal so sehr verletzen, dass sie so viel Macht über mich haben könnten, doch es war so. Noch nie hatte es jemand geschafft, mich so sehr zu verletzen.
Kein Wunder, ich hatte auch für knappe fünfzehn Jahre meine Gefühle immer unterdrückt und an die Zeit davor konnte ich mich kaum erinnern, weil ich da einfach noch zu jung war. Aber dennoch hatte ich nicht damit gerechnet, dass Worte so viel auslösen können. So viel Schmerz und Traurigkeit.
Und obwohl Julia mich darum gebeten hatte, ihr nicht hinterherzutrauern, tat ich es. Wie sollte ich denn mit einer anderen Frau glücklich werden, wenn sie doch die Einzige war, die ich will, die ich jemals wollte? Ich wollte sie nicht nur, ich brauchte sie auch. Sie war für mich wie die Luft zum Atmen lebensnotwendig.
Ich konnte einfach nicht ohne sie. Das hatte ich in den letzten Tagen bemerkt. Ohne sie war die Welt trostlos, gefühllos, leer. Kein Ort, an dem ich sein wollte. Ich konnte einfach nicht glauben, dass es das zwischen uns gewesen sein sollte. Konnte ihren Worten keinen Glauben schenken. Oder wollte ich es nicht?
Seufzend sah ich auf die Uhr und stellte fest, dass ich mal wieder etwas essen müsste. Also bestellte ich zwei Burger und klickte auf die nächste Videoaufnahme im Wintergarten. Müde sah ich mir die letzte Videoaufnahme von dem Tag an und wartete auf mein Essen. Ob Julia wohl wieder regelmäßig aß? Hoffentlich. Zu gut hatte ich noch ihre dürre, zerbrechliche Gestalt vor meinem inneren Auge.
Was hatte sie nur dazu gebracht? Warum wollte sie ihr Leben aufgeben, ihre Eltern und ihre Freunde alleine lassen? Was konnte nur so schreckliches passiert sein, dass sie nicht mehr kämpfen wollte? Dass sie sich nicht einmal mehr um ihre Gesundheit kümmerte? Wollte sie sich damit selber bestrafen? Aber für was denn? Sie hatte doch gar nichts getan.
Was auch immer sie dazu bewogen hatte, so eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen, ich würde es noch herausfinden. Genau genommen hatte ich mich auch schon in die Kameras bei Julias Haus eingehackt, allerdings konnte ich bisher noch nicht das ganze Videomaterial durchsuchen.
Warum hatten die denn überhaupt so viele Kameras in ihrer Wohnung? Insgesamt waren es vier Stück, eine vor der Terrasse, die andere vor der einen Haustür, die andere von innen auf die Schiebetür im Wintergarten gerichtet und die andere in der Küche. Wofür man eine Kamera in der Küche brauchte, war mir zwar ein Rätsel, aber was soll's.
Glücklicherweise konnte ich alle Stellen im Videomaterial herausfiltern, auf denen auch wirklich etwas passierte, wodurch ich nicht die ganze Zeit auf einen unbewegten Bildschirm starren musste und nur eventuell relevante Stellen sehen konnte. Ich hatte sämtlichen ihrer Familienmitglieder Nachrichten geschickt, ob sie wissen würden, was mit Julia los war, doch ich bekam keine Antwort. Und Jessy hatte meine Nachricht noch gar nicht gelesen und mir dementsprechend auch nicht geantwortet.
DU LIEST GERADE
𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜
Fanfiction𝐅𝐨𝐫𝐭𝐬𝐞𝐭𝐳𝐮𝐧𝐠 von 𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢 Endlich war der ganze Horror vorbei: Michael Hanson war tot, Jake wurde nicht mehr von der Polizei verfolgt und Julia war auf dem besten Weg, ihren Schulabschluss zu bestehen...