𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜

~26~

"Ciao Leute, ich werde euch vermissen", verabschiedete ich mich den Tränen nahe von Jessy, Phil, Dan, Cleo, Marcus, Hannah und Thomas. Ich hasste Abschiede. Für mich waren sie immer so traurig. Mit schwerem Herzen versuchte ich dabei die Tatsache, dass eigentlich noch zwei weitere Menschen, die noch hier sein sollten, fehlten, zu ignorieren, was sich als ziemlich schwierig erwies. 

Jake hatte sich gestern Nachmittag nochmal mit seinem Vater getroffen und es schien ziemlich gut gelaufen zu sein. Er hatte zwar kaum ein Wort darüber verloren, aber ich merkte, dass er jetzt irgendwie... unbeschwerlicher wirkte. Klar zog ihn der Tod seiner Schwester nach wie vor runter, aber es ging dafür in seiner Beziehung mit seinem Vater aufwärts und ich freute mich für ihn. Heute war unser letzte Tag in Duskwood, weshalb wir auch gerade am Bahnhof standen und auf unseren Zug warteten. 

"Oh Süße, nicht weinen. Wir sehen uns doch sicher nochmal", versuchte mich Hannah zu beruhigen, doch ihre Worte sorgten nur dafür, dass die Tränen nun wirklich über meine Wangen liefen. Und was, wenn wir uns nie wieder sehen? Von Richy und Lilly konnte ich mich auch nicht verabschieden und bei beiden hatte ich auch gedacht, dass uns noch genug Zeit zusammen bliebe. Das war aber nicht der Fall gewesen. 

Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass Jessy auch angefangen hatte, zu weinen. "Komm her", flüsterte ich traurig in ihre Richtung und breitete meine Arme aus, um Jessy nur kurze Zeit später in eine feste und tränenreiche Umarmung zu schließen. Es war so lächerlich, ich verstand selber nicht, warum ich bei Abschieden immer weinen musste. 

Nach und nach umarmte ich jeden einzelnen, bis schließlich unser Zug am Bahnhof ankam. "Wir müssen jetzt leider gehen, wir sehen uns", sagte Jake knapp, ich winkte ein letztes Mal in die Richtung der anderen. Dann schnappte ich mir meinen Koffer und zog ihn hinter mir her in den Zug, Jake lief schon ein kleines Stückchen vor. 

Der letzte Tag war anstrengend, so wie eigentlich fast jeder diese Woche in Duskwood. Aber immerhin hielt sich mein schlechtes Gewissen in Grenzen, da es immer nur, wenn Jake da war, besonders schlimm war. Wenn er nicht da gewesen ist, hatte ich entweder nach weiteren Bedeutungen für das D gesucht oder mich anderweitig abgelenkt. 

Jake legte bei unseren Sitzplätzen meinen Koffer hoch auf die Ablage über den Sitzen und setzte sich neben mich. Fast gleichzeitig griffen wir nach unseren Rucksäcken und holten unsere Kopfhörer heraus, was uns beide schmunzeln ließ. Schnell wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht, die mir wieder in die Augen stiegen, als der Zug losfuhr und wir Duskwood verließen. 

Die Zugfahrt verlief ganz entspannt. Jake hatte zwar die ganze Zeit auf seinen Laptop herumgetippt, was mich allerdings nicht davon abgehalten hatte, irgendwann einzuschlafen und erst wieder aufzuwachen, als der Zug schon am Bahnhof meiner Heimatstadt angekommen ist. 

Ich freute mich schon, endlich wieder meine ganze Familie sehen zu können. "Sehen wir uns noch diese Woche?", fragte Jake hoffnungsvoll. "Dir ist schon klar, dass entweder heute oder morgen der letzte Tag der Woche ist? Je nachdem, ob die Woche für dich am Sonntag oder am Montag anfängt", lachte ich. "Für mich fängt sie erst am Montag an, also können wir uns noch diese Woche treffen?", wiederholte er. 

"Ich weiß nicht so recht... Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, aber meine Familie möchte jetzt sicher auch erstmal ein bisschen Zeit mit mir verbringen. Schließlich hattest du mich gerade erst eine ganze Woche", sprach ich meine Bedenken aus. "Das ist aber unfair, ich musste dich teilen!", schmollte Jake. "Außerdem sind uns auch noch... andere Dinge dazwischengekommen", erinnerte mich Jake unnötigerweise. 

Als ob ich vergessen könnte, dass Lilly ermordet wurde. "Ich schau mal, ob es sich einrichten lässt, okay?", schlug ich vor, weshalb Jake sofort kräftig nickte. Normalerweise war Jake zwar nicht so anhänglich, aber vermutlich brauchte er einfach nach Lillys Tod die Nähe eines nahestehenden Menschen in seinem Leben.