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Die nächsten Tage verliefen ziemlich ereignislos. Wenn ich nicht bei Phil in der Bar oder bei ihm daheim war, langweilte ich mich bei Jessy, wodurch mich alle Zweifel überfielen. Hatte ich richtig gehandelt, indem ich Jake so von mir gestoßen hatte? Hätte es einen anderen Weg gegeben? Vermutlich schon. War mir eine andere Möglichkeit eingefallen? Nein. Und trotzdem litt Jake jetzt wegen mir. Weil ich zu doof war, um eine anständige Lösung zu finden.

Mittlerweile war es schon Mittwoch und ich hatte es tatsächlich geschafft, meine Finger von Messern zu lassen. Auch wenn es mir teilweise sehr schwer gefallen war. Doch heute überkam mich wieder der Drang stärker als die Tage zuvor. Ich wusste, dass es falsch war, dass es mir nur für einen kurzen Moment helfen und ich mich kurz darauf wieder schlechtfühlen würde.

Aber das spielte für mich momentan keine Rolle. Für mich zählte nur der Schmerz, mit dem ich mich bestrafte, aber auch meinen seelischen Schmerz gleichzeitig betäubte. So wie in diesem Moment, in dem mein Blut langsam den Arm hinunterfloss. Mir war zwar klar, dass Selbstverletzung keine Lösung war, aber es half mir dennoch, besser mit dem ganzen Schmerz auszukommen.

Erschöpft ließ ich die Rasierklinge ins Waschbecken fallen und konnte nur über mich selber den Kopf schütteln. Ich wollte das gar nicht, aber trotzdem tat ich es. Vorsichtig klebte ich ein großes Pflaster auf die Wunde, da sie diesmal nicht einmal annährend so stark blutete wie letztes Mal und zudem auch noch kleiner und eher oberflächlich war, und lehnte mich mit der Stirn an die Wand an.

Wann hörte denn endlich alles auf? Ich wollte mein altes Leben zurück. Mein altes Leben mit meiner Mutter und meiner Schwester, mein Leben mit meinem Stiefvater und unseren Hunden. Mein Leben mit Jake. Jessy war schon wieder arbeiten, weshalb sie es auch nicht hörte, als ich aus Frust laut schrie. Mal wieder. Schreien war eine gute Möglichkeit, um seine Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Es machte alles etwas erträglicher, weil dadurch die Last ein wenig abgeschwächt wurde. Auch wenn es eigentlich gar nichts an der Situation änderte.

Wer hatte es nur auf mich abgesehen? Warum wollte die Person mich so leiden lassen? Ein schneller Tod wäre mir viel lieber gewesen als die Qual, die ich die letzten Tage erleiden musste. Doch ich hatte es ja sogar verdient, ich war an den Tod aller Gestorbenen aus meinen Umfeld schuld. Ich hätte wissen müssen, dass so etwas passieren würde. Dass Lillys Mörder irgendwann mal die Grenze überschreiten und andere Menschen umbringen würde. Menschen, die ich liebte.

Das Messer, mit dem Richy umgebracht worden war, war doch schon eine eindeutige Warnung, nein, fast schon eine Drohung gewesen, welche ich mehr oder weniger ignoriert hatte. Und nun hatten wir den Salat. Wenn nur ich wegen den Fehlern, die ich gemacht hatte, leiden würde, wäre das alles kein Problem. Das Traurige war, dass ich alle anderen erst in diese Sache mit hineingezogen hatte. Dass sie genauso litten wie ich. Naja, nicht ganz, aber dennoch war ich für den Teil deren Leidens verantwortlich.

Ich hätte schon vor elf Monaten etwas tun können oder zumindest vor drei Wochen, aber ich hatte es nicht getan. Hätte ich Jake nur von Anfang an die Wahrheit gesagt... Er dachte, dass ich ihm vertrauen würde, was ich auch eigentlich tat, doch warum hatte ich dann nicht vorher schon den Mund aufgemacht und Jake in alles eingeweiht?

Wovor hatte ich denn Angst gehabt? Vor Jakes Reaktion? Davor, dass er wieder Tag und Nacht weiter nach den Mann ohne Gesicht suchen würde, obwohl es doch eh aussichtslos war? Oder lag es daran, dass ich einfach nicht wahrhaben wollte, dass noch immer jemand nach meinen Tod trachtet und mich leiden sehen möchte?

So oder so war mein Schweigen ein ganz großer Fehler gewesen, für den die anderen und ich nun büßen mussten. Ein Fehler, der andere Menschen das Leben gekostet hatte. Wenn ich diesen Fehler rückgängig machen könnte, würde ich es sofort tun.

𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt