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Teilnahmslos saß ich nun mit Thomas, Cleo, Dan, Phil und Marcus an einen der etwas größeren Tische und starrte vor mich hin. Hannah würde noch nachkommen und naja, mehr Leute waren wir ja nicht mehr. Es war beängstigend, wie viele unserer Freunde schon gestorben waren. Und ständig stellte sich die Frage: Wer war der Nächste? Ich wusste nicht, wie es bei den anderen aussah, aber ich war am Ende. Schon lange. 

Warum tat er mir das nur an? Wer war er überhaupt? Theoretisch könnte es jeder sein. Naja, nicht jeder. Irgendeiner aus meinem Umfeld musste es ja sein. Und ich musste mich gut mit demjenigen verstanden haben. Die Frage war nur, ob ich zu dieser Person überhaupt noch Kontakt hatte oder nicht. 

Aber weshalb sollte jemand, mit dem ich schon längst Kontakt abgebrochen hatte, so etwas tun? Ich hatte doch niemandem etwas getan! Außer Jennifers Autounfall hatte ich mir rein gar nichts zu Schulden kommen lassen und auch jeden immer freundlich behandelt. Naja, abgesehen von meinem Englischlehrer der 5., 9. und 10. Klasse, aber den konnte ich ganz sicher als möglichen Täter ausschließen. 

Also wer war es dann? Vor Hannahs Entführung hatte ich eine komplett weiße Weste und der Grund für diese Taten musste ja vor ihrer Entführung gewesen sein, weil sie ja erst aus diesem Grund entführt worden war. Wegen mir. Um mich nach Duskwood zu locken. Damit ich mich wieder erinnerte. 

Aber wer könnte etwas davon haben, dass ich nun wusste, dass ich oftmals meine große Halbschwester in Duskwood besucht hatte und dabei Hannah, Amy und Richy kennengelernt hatte? Genau auf diese Frage fiel mir eben keine Antwort ein. Und für was zum Teufel sollte dieses 'D' stehen?! 

Es war schrecklich, seine Freunde nicht beschützen zu können. Überhaupt der Grund dafür zu sein, dass sie beschützt werden müssen. Sobald ich zufälligerweise dem Blick einer meiner Freunde begegnete, fühlte ich mich schlecht. Meine Schuldgefühle nahmen - wie ich schon befürchtet hatte - heute Abend epische Ausmaße an. Jeder sah so niedergeschlagen und unglaublich... gebrochen aus. 

Plötzlich ertönte der Klingelton für die Hintertür und wir zuckten alle erschrocken zusammen. Schließlich erhob sich Phil und öffnete Hannah die Tür. "Tut mir leid, dass ich es erst jetzt geschafft habe. Ich habe dafür etwas zur Entschädigung mitgebracht", entschuldigte sich Hannah mit einem schwachen Lächeln und stellte eine Packung Donuts und einen Kasten Bier neben den Tisch. 

Als sich zufällig unsere Blicke trafen, bemerkte ich etwas an ihrem Blick, mit dem sie mich musterte, doch ich konnte nicht genau sagen, was es war. Was auch immer es war, es beunruhigte es mich zutiefst. Die ganze Zeit war die Stimmung sehr bedrückt und wir sprachen auch kaum miteinander. Stattdessen trank jeder sein Bierchen, lauschte der leisen Musik und hing seinen eigenen Gedanken nach. 

Nach einer Weile erhob ich mich vom Tisch, weshalb alle Blicke zu mir flogen. "Ich geh mal kurz auf Toilette", murmelte ich als Antwort auf die unausgesprochene Frage, ich konnte Phils brennenden Blick auf mir spüren. Er machte sich nun so viele Sorgen um mich, die ich ihm gerne erspart hätte. Die ich ihm auch hätte ersparen können, wenn ich nicht so egoistisch gewesen und dem Drang, wieder etwas zu fühlen zu wollen, nicht beinahe nachgegeben hätte. 

Phil hatte doch schon so genug um die Ohren. Alleine schon der Tod seiner Schwester musste unglaublich schwer für ihn zu verkraften sein. Und dann belastete ihn die Sorge um mich auch noch zusätzlich... Jedenfalls brauchte ich gerade einfach eine Auszeit. Eine Auszeit von dieser bedrückten Stimmung und dem vorwurfsvollen Schweigen der anderen. 

Ich schenkte Phil ein mattes Lächeln, um ihm zu zeigen, dass es mir gut ging und er sich keine Sorgen um mich machen müsse, und lief mit schnellen Schritten geradewegs in Phils Büro. Die Trauer überwältigte mich, weshalb ich mich einfach an Ort und Stelle hinsetzte und anfing, zu weinen. Mir war bewusst, dass es nichts brauchte. Dass es Jessys Tod nicht rückgängig machen würde, doch ich hatte einfach keine Kraft mehr. 

𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt