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Also machte ich mich auf die Suche. Ich wusste zwar nicht, nach was genau ich suchte, aber irgendetwas musste doch einfach darauf hindeuten. Den entscheidenden Beweis liefern. Nach einer Weile fand ich das Döschen, in dem meine Mutter immer ihre Tabletten und Pillen aufbewahrt hatte, allerdings hatte ich keine Ahnung, wie viel wohl davor da drinnen gewesen waren. Das konnte doch nicht wahr sein! 

Frustriert stöhnte ich auf und vergrub meine Hände in den Haaren, bevor ich weitersuchte. Doch die Suche gestaltete sich schwieriger als anfangs gedacht. Weder im Schlafzimmer noch im Wohnzimmer oder Esszimmer hatte ich irgendetwas gefunden. Genauso wenig wie im Bad oder in der Küche. Wenn man nicht genau wusste, wonach man suchte, war es auch nicht gerade einfach, es zu finden. 

Aber ich gab dennoch nicht auf, ich konnte einfach nicht glauben, dass meine Mutter sich umgebracht haben soll. Sie hätte mich doch niemals alleine gelassen! Entmutigt suchte ich noch zwei weitere Stunden, doch es tauchte nichts neues auf. Dann musste ich wohl auf die Ergebnisse der Autopsie warten. 

Auch, wenn mir das gewaltig gegen den Strich ging. Wer versicherte mir denn, dass die Leute dort ihre Arbeit richtig machen? Vielleicht waren die Gerichtsmediziner ja genauso wie die Polizisten, welche den Fall schon nach wenigen Tagen nicht mehr weiterverfolgten. Nur weil sie zu doof waren, um Hinweise zu finden. 

Ein Blick auf die Uhr bestätigte mir, dass es schon kurz nach 21 Uhr war, doch an Essen war gar nicht zu denken. Wie denn auch, wenn sich die eigene Mutter in der Wohnung umgebracht haben sollte und man nun komplett alleine war, während man wusste, dass irgendwo da draußen jemand mir auflauerte? 

Ich hatte Angst, fühlte mich in der Wohnung unwohl, mir war schlecht. Und ich war verdammt traurig und niedergeschlagen. Wütend. Verletzt. Und noch so vieles mehr, dass ich gar nicht genau sagen konnte, was ich alles fühlte. Aber der Schmerz war besonders groß. Auch wenn meine Familienmitglieder nicht gelitten hatten - zumindest nicht an körperlichen Schmerzen bei ihrem Tod -, war es trotzdem scheiße. 

Sie hatten es einfach nicht verdient, so früh zu sterben. Vor allem nicht meine Schwester. Sie war gerade mal 16. Niemals würde sie ihren Schulabschluss erreichen, arbeiten können, eine eigene Familie haben. Kinder und Enkelkinder, einen Ehemann. All das wurde ihr in einer Sekunde genommen. Wegen mir. Weil es irgendjemand auf mich abgesehen hatte. 

Lisa war noch nicht einmal richtig verliebt gewesen. Klar, Schwärmereien hie und da, aber nie etwas Ernsteres. Sie hätte noch so viel erleben sollen, doch nun hatte sie nicht mehr die Möglichkeit dazu. Meine Schwester war tot und sie würde niemals die Erfahrungen machen können, die sie bisher nicht gemacht hatte. 

Es machte mir Angst, wie schnell das Leben vorbei sein konnte. Vier Tode auf einmal waren eindeutig zu viel für mich. Auch wenn sich alles in mir dagegen sträubte, beendete ich die Suche und machte mich bettfertig. Heute könnte ich wohl nichts mehr bewirken. 

Doch als ich gerade in mein Zimmer ging, um meine Shorts und mein T-Shirt zum Schlafen herauszusuchen, bemerkte ich einen ordentlich gefalteten Zettel auf meinem Schreibtisch, der gestern definitiv noch nicht da gewesen ist. Neugierig faltete ich ihn auf und blickte auf ihn hinab. Schon bevor ich die Worte las, welche mein Herz zerbrechen ließen, wusste ich, dass das ein Abschiedsbrief von meiner Mutter sein würde. 

Liebe Julia,

wenn du diesen Brief liest, werde ich nicht mehr am Leben sein. Es tut mir so leid, aber ich konnte einfach nicht mehr. Du weißt ja, dass ich sehr mit meiner Vergangenheit zu kämpfen und deshalb Depressionen habe. Dein Stiefvater hat mir immer geholfen und mich unterstützt, mich davon überzeugt, dass mein Leben wertvoll wäre und ich nicht dem Wunsch, zu sterben, nachgeben sollte. Er hat es immer geschafft, mich davon abzuhalten, egal wie schlecht es mir ging und wie kurz ich davor war, es zu tun. 

𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt