~LXVIII~

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Dank meiner vorherigen Recherchen war es ein Leichtes, mir Zugang zu der verlassenen Lagerhalle zu verschaffen. So leise wie möglich drückte ich die Türklinke der Tür zum Untergeschoss herunter und öffnete diese langsam, wobei sie trotzdem etwas knarrte.

Hoffentlich fand ich Julia, bevor der Mann ohne Gesicht meine Anwesenheit bemerken würde... Die Folgen für Julia wären fatal. Vorsichtig ging ich die Treppenstufen hinunter und tastete mich am Treppengeländer voran, da ich auf das Licht meines Handys nur ungern zurückgreifen wollte.

Denn durch dieses könnte ich nur noch viel leichter entdeckt werden und das wollte ich möglichst vermeiden. Schließlich wusste ich nicht, wo genau sich Darkness aufhielt... Ich hoffte wirklich, dass es noch nicht zu spät war. Phils Bericht über Darkness' Plan waren ja ziemlich karg ausgefallen, weshalb wir nicht ausschließen konnten, dass er Julia jetzt schon umbringen möchte.

Oder vielleicht schon umgebracht hat... Nein, das durfte einfach nicht sein! Julia durfte nicht sterben! Was sollte ich denn nur ohne sie tun? Sie war diejenige, die mir immer wieder aufgeholfen hatte, wenn ich gefallen war. Sie war seit langem die erste Person gewesen, die mir Liebe und Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Die erste Person, bei der ich einfach ich selbst sein konnte.

Wenn Julia wirklich tot sein sollte... Ich wollte gar nicht erst daran denken. Schon jetzt nagte das schlechte Gewissen an mir. Weil ich Julia ihre Lüge tatsächlich einen Monat lang abgekauft und in dieser Zeit nicht einmal versucht hatte, nochmal in Kontakt mit ihr zu treten. Ich hätte sie dazu bringen sollen, mir die Wahrheit zu sagen.

Wir hätten schon von Anfang an ehrlich zueinander sein sollen. Dann hätte dieses Missverständnis mich auch gar nicht erst dazu bewogen, mich vorübergehend von Julia zu trennen. Was wiederum dazu geführt hätte, dass Julia nicht mit dem Schmerz wegen ihrer verstorbenen Familienmitglieder nicht alleine hätte klarkommen müssen, wodurch sie gar nicht erst versucht hätte, vom Dach zu springen.

Wir hätten uns gegenseitig so viel Schmerz ersparen können, wenn wir uns nur alles anvertraut hätten, doch wir hatten beide Angst, den jeweils anderen zu enttäuschen. Dabei wurde uns beiden erst in der Zeit, in der wir getrennt waren, dass wir uns erst durch unsere fehlende Aufrichtigkeit gegenseitig und selbst enttäuscht und verletzt hatten. Dass wir unsere Fehler nur gemacht hatten, um andere vermeintliche Fehler zu vermeiden, welche am Ende nicht einmal annährend so viel angerichtet hätten wie unser mangelndes Vertrauen.

Obwohl man nicht wirklich von mangelndem Vertrauen sprechen konnte. Wir beide taten dies am Ende nur, um den anderen zu schützen. Und ich konnte Julia da wirklich keinen Vorwurf machen, weil ich es absolut nachvollziehen konnte. Wenn das alles vorbei ist, sollten wir aber definitiv unsere Prinzipien überdenken.

Gerade war ich auf dem Weg zum zweiten Raum, nachdem der erste augenscheinlich leer war, als plötzlich markerschütternde Schreie ertönten. Von Julia. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Julia lebte. Die Frage war nur, wie lange noch. Ohne großartig nachzudenken, folgte ich ihren Schreien, die immer schriller wurden, obwohl man deutlich hörte, dass sie eigentlich versuchte, diese zu unterdrücken.

Dies veranlasste mich dazu, meine Schritte noch mehr zu beschleunigen, bis ich vor einer geschlossenen Tür stand. Schnell drückte ich die Türklinke einfach herunter und dachte kurz, dass ich mich im falschen Raum befinden würde, doch als ich ein paar Schritte weiter in diesen hineinlief, verfiel ich in eine kurze Schockstarre.

Entsetzt sah ich Julia entgegen, welche ihre Augen halb geschlossen hatte, während sie von der Decke an ihren Handgelenken mit Ketten befestigt herunterhing und ihren Mund zu einen stummen Schrei aufgerissen hatte. Ihre Handgelenke und Arme waren blutverkrustet, doch das war nicht das, was mich an ihrem Anblick am meisten beunruhigte, sondern der große Schnitt in ihrer denkelblauen Jeans, der sich über ihren ganzen Oberschenkel der Länge hin zog und den ein großer Blutfleck umgab.

𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt