𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜

~LXXI~

"Julia? Nein, bleib bei mir!", flehte ich verzweifelt, als ich bemerkte, dass Julia bereits bewusstlos war. Das durfte einfach nicht sein! Sie durfte nicht sterben! Was sollte ich denn ohne sie tun?! Okay Jake, beruhig' dich erstmal wieder. Es bringt niemandem etwas, wenn du dich verrückt machst!, mahnte mich meine innere Stimme, weshalb ich mich zur Ruhe zwang. 

Mit meiner einen Hand immer noch meinen Hoodie auf die Schusswunde drückend lehnte ich mich weiter nach vorne und tastete vorsichtig nach Julias Halsschlagader. Erleichtert atmete ich aus. Julia lebte noch. Zum Glück. Aber ihr Puls war so schwach... "Sie wird eh sterben, bevor der Krankenwagen kommt", lachte Nick hustend hinter uns, ich hatte schon komplett vergessen, dass er überhaupt hier war. 

Bei seinen Worten durchströmte mich solch eine Wut, wie ich sie bisher nur selten bei mir selbst erlebt hatte. "Was hast du gesagt?", knurrte ich und funkelte den Halbbruder meiner Freundin wütend an. "Sie wird es nicht schaffen. Ist zwar ganz amüsant, wie du dir Hoffnungen darauf machst, aber..." 

"Phil, drück das auf Julias Wunde", wies ich Phil an, der mich irritiert ansah, aber immerhin tat, was ich sagte, und wandte mich unterdessen Nick zu, der mich schon grinsend beobachtete. Langsam stand ich auf und ging zu ihm herüber. Auch wenn er so tat, als ob er die Schusswunde gar nicht bemerken würde, sah man an seinen glasigen Augen und seiner verkrampften Körperhaltung, dass er sehr wohl litt. Geschieht ihm recht. Hatte er auch nicht anders verdient. 

Zugegeben, dass ich niemals damit gerechnet hätte, dass Julia wirklich abdrückt und dann auch noch trifft, aber das machte sie für mich nur noch interessanter und liebenswerter als sie es ohnehin schon war, so merkwürdig es auch klingen mochte. "Aber was?", fragte ich nun herausfordernd, ich legte es nahezu darauf an, mich von ihm provozieren zu lassen. Weil ich normalerweise kein Mensch war, der so schnell die Kontrolle verlor oder andere verletzte, ich dieses Arschloch vor mir allerdings unbedingt leiden lassen wollte. 

"Ach, ich will doch nur nicht, dass du dir falsche Hoffnungen machst", behauptete Nick, weshalb sich meine Hände automatisch zu Fäusten ballten. "Es ist zwar schade, dass ich nicht euch alle drei umbringen konnte, aber was soll's", fügte dieser noch hinzu, was mich zum Stutzen brachte. Julia und ich waren zwar klar, aber von welcher dritter Person sprach er? "Wovon sprichst du?", forderte ich zu wissen und sah ihn abwartend an. Er jedoch erwiderte nur stur meinen Blick. 

"Wer. War. Die. Dritte. Person?", fragte ich nochmal. "Hannah", antwortete er schließlich, weshalb ich scharf die Luft einzog. Er hatte auch noch meine andere Schwester töten wollen?! "Was hat Hannah damit zu tun?", hakte ich nach, es verlangte mir sehr viel ab, ihn nicht jetzt schon bewusstlos zu prügeln. Aber sobald ich das tun würde, würde ich keine Antworten mehr bekommen, was bedeutete, dass ich mich noch etwas gedulden musste. 

"Erstens war sie in Jennifers Tod laut der Erzählung meines Vaters ebenfalls involviert gewesen und zweitens war sie so dumm und hat sich von Julia beeinflussen lassen", offenbarte er mir, den letzten Teil verstand ich nicht so ganz. "Was genau meinst du damit?", fragte ich deshalb und war mir gar nicht sicher, ob ich die Antwort auf diese Frage wirklich hören wollte. 

"Ach, haben dir Hannah und Julia davon auch nichts erzählt?", machte er sich lustig, ich presste meine Lippen fest aufeinander. Warum unterstellte er Julia die ganze Zeit, unehrlich zu mir gewesen zu sein? Wollte er uns etwa dadurch auseinanderbringen? Das wird nicht funktionieren. Zumindest nicht, solange Julia überlebt. Davon abgesehen, dass es verständlich war, dass sie mir nicht jede Kleinigkeit aus ihrer Kindheit erzählte. Das musste sie schließlich nicht. Auch wenn ich liebend gerne jedes einzelne Detail über Julia und ihre Kindheit erfahren würde. 

"Hannah und ich waren mal zusammen", ließ er die Bombe platzen, ich starrte ihn nur fassungslos an. Er und Hannah?! Wie... Wann... Warum?! Plötzlich erinnerte ich mich wieder an eine von Hannahs Emails von damals, als sie mir geschrieben hatte, dass sie mit ihren Freund namens Nick Schluss gemacht hätte.