Ausdruckslos starrte ich auf irgendeinen Punkt in der Ferne und ließ den Kuss von Phil nochmal Revue passieren. Wie konnte das nur passieren? Weshalb hatte ich den Kuss erwidert? Tief in meinem Inneren kannte ich den Grund dafür schon, doch ich wollte es nicht wahrhaben. Vermutlich hatte ich meine Sehnsucht nach Jake auf Phil projiziert und deshalb seinen Kuss erwidert. Ja, das war ganz eindeutig der Grund für meine Verwirrtheit.
Nach fünf Stunden, welche sich für mich wie eine Ewigkeit anfühlten, hörte ich, wie sich die Wohnungstür endlich wieder öffnete, und stürmte sofort auf ihn zu. "Es tut mir so leid", schluchzte ich und durchnässte dabei mit meinen Tränen sein T-Shirt. "Bitte hör auf, zu weinen. Du kannst nichts für deine Gefühle. Ich verstehe es, wirklich", flüsterte Phil mir beruhigend ins Ohr und streichelte sanft über meine Haare.
Klar beinhalteten Phils Worte auch etwas Wahres, doch es gab keine Entschuldigung dafür, dass ich seinen Kuss erwidert hatte. "Es tut mir so unendlich leid", wiederholte ich nochmal, ohne auf Phils Einwände einzugehen und umarmte ihn noch fester, sodass ich mir langsam Sorgen machte, dass ich ihn zerquetschen könnte.
"Es ist okay, du hast nichts falsch gemacht", behauptete Phil und sah mich warnend an, als ich gerade wieder meinen Mund öffnete, um seine Aussage zu entkräften. Denn diese Worte stimmten nicht. Es war natürlich falsch gewesen, dass ich ihn geküsst hatte! Egal, in welch emotionalen Lage ich mich momentan befand. Ich hatte es ja nicht einmal gewollt! Aber es trotzdem getan...
Frustriert schloss ich wieder meinen Mund und löste mich schließlich von Phil, da mir meine Emotionalität nun doch etwas peinlich war. Beschämt sah ich auf den Boden und wischte mir meine restlichen Tränen aus dem Gesicht. "Dann schulde ich dir also einen Gefallen", kam Phil wieder auf unsere Wette zurück, ich nickte nur stumm.
"Sieh mich bitte an", flehte er, doch ich konnte es nicht. Obwohl Phil derjenige war, dessen Gefühle ich verletzt hatte, schien mich der Kuss viel mehr mitzunehmen als ihn selbst. Ich war so entsetzt von mir und wütend auf mich selbst... Bestimmt drückte Phil mein Kinn hoch, sodass ich ihm direkt in die Augen sehen musste.
"Können wir nicht einfach so tun, als ob das nicht passiert wäre? Ich mag dich echt gerne und möchte dich nicht als meine beste Freundin verlieren", bat er mich. Ernsthaft?! Hätte er sich das nicht überlegen können, bevor er mich geküsst hat?! Aber ich war ja genauso daran Schuld. "Okay", antwortete ich schließlich, wusste jedoch, dass ich diesen Fehler niemals vergessen könnte.
"Gut, danke. Wollen wir etwas zu Essen bestellen?", fragte Phil nun und tat wirklich so, als ob gar nichts passiert wäre. Allerdings merkte ich ihm an, dass ihn das Ganze mehr mitnahm als er vorgab. Dennoch machte ich es ihm gleich und wir beschlossen, Pizza zu bestellen. Während wir nun auf unsere Pizzen warteten, alberten wir wieder herum, bis es endlich klingelte.
In dem Glauben, dass der Pizzabote vor der Tür stehen würde, öffnete ich die Tür und blickte stirnrunzelnd auf ein sehr kleines Päckchen vor der Haustür herab. "Phil?", rief ich ihn nervös und fing am ganzen Körper an, zu zittern. Dieses Szenario kam mir nur zu bekannt vor. Ich fühlte mich zurückversetzt an den Abend meines Geburtstags.
Meine Hände waren ganz verschwitzt, als ich nach dem Karton griff und ihn vor Aufregung beinahe fallen lassen hatte. Tief atmete ich durch, bevor ich mir sicher war, dass ich das Päckchen nicht wieder fast fallen lassen würde, und mich umdrehte, wobei mir ein spitzer Schrei entfloh, da Phil direkt vor mir stand und ich ihn vorher nicht gehört hatte.
"Was ist das?", fragte er verwirrt und deutete auf das Paket. "Du hast also nichts bestellt?", hakte ich nochmal sicherheitshalber nach. Phils bestätigendes Nicken raubte mir auch noch meine letzte Hoffnung, dass dieses Päckchen nicht von ihm sein könnte. "Was ist los, Julia? Du bist ja kreidebleich", stellte Phil besorgt fest und drückte besänftigend meine Schulter, was ich allerdings kaum wahrnahm.
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𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜
Fanfiction𝐅𝐨𝐫𝐭𝐬𝐞𝐭𝐳𝐮𝐧𝐠 von 𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢 Endlich war der ganze Horror vorbei: Michael Hanson war tot, Jake wurde nicht mehr von der Polizei verfolgt und Julia war auf dem besten Weg, ihren Schulabschluss zu bestehen...