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Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich mich wieder gefangen hatte, doch sobald ich soweit war, rannte ich Jessy sofort hinterher. Ihre herzzerreißenden Schluchzer führten mich direkt in ihr Zimmer. "Was tut dir leid?", hakte ich komplett durcheinander nach, während ich mich Jessy langsam näherte, mich neben sie auf ihr Bett setzte und ihr beruhigend über den Rücken streichelte.

Dabei versuchte ich so ruhig wie möglich zu bleiben, obwohl ich momentan genau das Gegenteil von ruhig war. "Aber sei bitte nicht wütend auf mich, okay? Ich wollte das doch gar nicht", flehte Jessy, doch ich konnte und wollte ihr nichts versprechen, was ich womöglich nicht einhalten könnte. Beziehungsweise ziemlich sicher, wenn ich nach Jessys Worten ging.

"Jessy, was ist los?", wiederholte ich nochmal, wobei dieses Mal meine Stimme um einiges härter und kälter klang als zuvor. Kaum merklich zuckte Jessy wegen meiner Worte zusammen, fasste sich dann aber wieder und schüttelte leicht den Kopf.

"Es tut mir so leid, Julia. E-er hat m-mich angeschrieben und ich wollte es ihm echt nicht erzählen, aber dann hat er mir geschrieben, dass... dass du dir möglicherweise wieder etwas antun könntest und dass er deshalb unbedingt herausfinden müsse, wieso du... wieso du das versucht hast und..."

"Warte, warte, immer langsam. Von wem sprichst du?", unterbrach ich sie, obwohl ich die Antwort auf meine Frage schon längst kannte. Es wusste nur eine einzige Person von meinem gescheiterten Selbstmordversuch, daher kamen auch nicht mehr Personen dafür infrage. Aber ich war irgendwie... enttäuscht, als Jessy meine Vermutung bestätigte. "Jake", antwortete sie knapp und wischte sich ihre Tränen aus dem Gesicht.

Warum hatte er Jessy nur davon erzählt? Er wusste sicher, dass ich nicht wollte, dass die anderen etwas darüber erfahren und trotzdem hatte er es Jessy erzählt. Ich fühlte mich verraten und hintergangen, obwohl mir eine leise Stimme sagte, dass Jake das nur getan hatte, weil er sich um mich sorgte.

Doch selbst wenn dies so war, hatte er kein Recht dazu, es den anderen zu sagen. Es hätte meine Entscheidung sein sollen, ich hatte mich ja sogar schon dagegen entschieden, aber Jake hatte sich mal wieder eingemischt und Jessy von meinem Selbstmordversuch berichtet. "Julia, bitte sag etwas", unterbrach Jessy meine Gedankengänge verzweifelt und musterte mich bedrückt.

"Ich... ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Was genau wollte er von dir wissen?", fragte ich stattdessen ausdruckslos und starrte auf einen Punkt in die Ferne. "Er wollte wissen, ob und wie deine Familienmitglieder gestorben waren", flüsterte sie so leise, dass ich sie fast nicht verstehen konnte.

"Aber ich wollte ihm nicht antworten, du hattest mir ja erzählt, dass er noch nichts davon weiß und es auch nicht erfahren sollte. Doch als er mir dann schrieb, dass du versucht hättest... d-d-dich... Ich mache mir nun mal genauso wie Jake Sorgen um dich und da der Tod deiner Familie mit deinem... S-Selbstm-m-mordv-v-v-versuch zusammenzuhängen schien, wollte Jake eben die entsprechenden Informationen von mir haben, aber ich hatte ihm nur erzählt, dass sie gestorben waren, nicht wie oder wann es passiert ist. Es tut mir so leid, aber ich habe mir in diesem Moment solche Sorgen um dich gemacht. Stimmt es, dass... dass du das versucht hast?", fragte Jessy schließlich vorsichtig.

"Ich... ich war betrunken und meine Mutter hatte sich gerade erst umgebracht", nuschelte ich beschämt, aber mir war klar, dass ich diese Gedanken nicht wegen dem Alkohol hatte. Doch das musste Jessy nicht unbedingt erfahren. "Warum hast du mir nichts davon gesagt? Ich wäre für dich da gewesen", murmelte Jessy traurig und sehr erschüttert.

Tief atmete ich durch, um mich zu beruhigen. Denn auch wenn ich wusste, dass sowohl Jessy als auch Jake es nur gut mit mir meinten und sich Sorgen um mich machten, war ich sehr enttäuscht. Jessy konnte nicht jedem einfach so von meinen privaten Familienangelegenheiten erzählen.

𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚃𝚑𝚎 𝙶𝚊𝚖𝚎 𝙲𝚘𝚗𝚝𝚒𝚗𝚞𝚎𝚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt