10 - Harry

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Mir gefiel absolut nicht wohin meine Gedanken immer wieder abzudriften versuchten. Ich war verlobt. Glücklich verlobt. Und ich hatte heute Morgen erst einen fantastischen Orgasmus. Dank meiner Verlobten, die mir alles bedeutete und die ich liebte, wie niemanden sonst. Außerdem war da natürlich die unumgängliche Tatsache, dass ich absolut nicht auf Matt stand. Oder Männer im Allgemeinen. Von daher war es doch einfach nur absurd, dass ich überhaupt solche wirren Gedanken hatte. Wenn ich nicht schleunigst etwas dagegen unternahm, befürchtete ich wohl zurecht, dass das am Ende nur im Chaos endete. Für eine Sekunde sah ich uns beide doch tatsächlich schon Händchen haltend einen Steg entlang laufen, während das Wasser um uns herum die romantische Stimmung nur umso besseruntermalte.

«Aber natürlich! Komm her. Du kriegst dein Fotoselbstverständlich», rief ich ihm zu, als ich meine Gedanken wieder halbwegs sortiert hatte. Innerlich hatte ich mich einfach so langegeschüttelt, bis alles wieder so war wie es sein sollte. Ungeduldig winkte ich Matt zu mir her und konnte ein zaghaftes Lächeln über seine Lippen huschen sehen, was mich ebenfalls automatisch schmunzeln ließ. Interessiert oder nicht, Matts Art war auf eine Weiseansteckend, dass ich mich dagegen erst gar nicht zu wehren versuchte.

Als er bei mir stand, legte ich sofort meinen linken Arm um seinen Rücken und presste ihn dicht an mich. Ich konnte mir noch so vieleinreden, mein Körper reagierte instinktiv und ich war ihm zu keinem Zeitpunkt böse deswegen. Genauso wenig wie ich Matt dafür verurteilte, dass er wie ein unschuldiger Tollpatsch reagierte und dezent aufschrie. Er war wohl von meiner Annäherung so überrascht wie ich es selbst war, was mich einfach nur kichern ließ.

Nach dem kläglichen Versuch diesem unbehaglichen Gefühl zu entfliehen, welches sich in meiner Brust breitzumachen schien, scheiterte ich gnadenlos an der weiteren Umsetzung. Stattdessenkribbelte es plötzlich überall und ich konnte diese Gänsehaut weder aufhalten, noch kontrollieren. Jede einzelne Stelle meines Körpers an denen wir uns berührten, wurden schlagartig von Hitzedurchflutet, verursacht durch Stromschläge, die mich alles andere als kalt ließen. Ich spürte wie sich sämtliche Muskeln in mir anspannten und ich eine ungewohnt verkrampfte Haltung einnahm. All das während ich damit kämpfte, den unnatürlichen Drang zu unterdrücken, meine Hand auf mein außer Kontrolle geratenes Herz zulegen. Immer wieder war da dieses unverhältnismäßige Hämmern gegen meine Brust. Ich fühlte, dass es schneller und gleichzeitig doch langsamer schlug als sonst. Aber warum tat es das? Warum passierte mir das ausgerechnet jetzt? Und was konnte ich dagegen unternehmen, damit es auch ja aufhörte?

«Na los, mach schon», forderte ich ihn ungeduldig auf und deutete mit meinem Finger auf sein Smartphone. Ich wollte das mittlerweile selbst einfach nur noch so schnell wie möglich hinter mich bringen und dann von hier verschwinden. Frische Luft und die Aussicht auf einen tollen Tag mit meiner Verlobten würden mich sicher auf vollkommen andere Gedanken bringen und genau das war es, was ich jetzt brauchte.

«K-Klar!», nickte Matt erneut. Dann drückte er die Taste an der rechten Seite seines Telefons und legte kurzerhand seinen zittrigen Daumen darauf um es zu entsperren. Eine wunderschöne, zierliche junge Frau mit langen, karamellbraunen Locken zierte seinen Hintergrund.

«Hübsch.» Nicht das erste was mir bei dem Bild in den Sinn kam, aber was hätte ich denn sonst sagen sollen? Etwa dass ich neidisch war und da lieber eins von mir sehen wollte? Damit würde ich ihn erstens endgültig vergraulen und mich zweitens selbst der Lächerlichkeit preisgeben. Ich war weder schwul, noch bi, noch sonst etwas und schon gar nicht war ich an jemand anderem als Shelby interessiert. Ich konnte so etwas also gar nicht ernsthaft wollen, redete ich mir ein und rang mich zu einem Lächeln ab. Soweit würde es noch kommen, dass ich mich auf dem Bildschirm dieses ...

Okay, vielleicht sollte ich das besser sein lassen. Die Beleidigungen die mir gerade einfielen, glichen um ehrlich zu sein mehr einem Loblied und beschrieben im Endeffekt nur, wie gut er aussah und wie toll er war. Selbst in Gedanken war es mir unmöglich ihn zu beschimpfen und ich schämte mich fortweg für mich selbst.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt