Seufzend vergrub ich meinen immer schwerer werdenden Kopf in meinen Händen, wobei ich mich mit den Ellenbogen auf dem Tresen abstützte. Ehe ich weiter in die Vergangenheit abschweifen konnte, stellte mir der Barkeeper auch schon das volle Tablett vor die Nase und ich nahm einen interessanten, aber undefinierbaren, intensiven Geruch wahr.
«Was ist das?», fragte ich ihn und nahm eines der Gläser in die Hand um daran zu schnuppern. Die Flüssigkeit verströmte einen eigenartigen Geruch, der mir irgendwie bekannt vorkam und den ich dennoch nicht eindeutig zuordnen konnte. Außerdem konnte ich hinter dem Tresen auch keine Flasche mehr erkennen, der Barkeeper musste sie also bereits weggestellt haben.
«Etwas Besonderes», verkündete er stolz, schien aber keine Anstalten zu machen das näher erläutern zu wollen.
«Aha», entkam es meinen Lippen. Ich blickte ihn skeptisch an, aber selbst das war kein Anlass für ihn, mir meine stumme Frage zu beantworten. Das Glas hatte ich zwischenzeitlich wieder achtsam zurückgestellt, während ich ihn weiter ratlos ansah.
«Wenn es euch schmeckt, geht die zweite Runde aufs Haus. Dann verrate ich dir auch, was ich euch da eingeschenkt habe. Gibt nur selten Leute die das bestellen, dabei ist es einer meiner Favoriten. Bin gespannt was ihr dazu sagt!»
«Danke», grummelte ich missmutig vor mich hin und machte mich anschließend umgehend auf den Weg zurück zu den anderen. So ganz überzeugt war ich ja nicht davon, aber was blieb mir jetzt noch groß anderes übrig? Zudem wollte ich mich ja überraschen lassen und genau an diese Bitte hatte sich der Barkeeper schließlich gehalten.
Ich balancierte das Tablett mehr oder minder elegant vor mir her, ja darauf bedacht keinen Tropfen zu verschütten. Angesichts der Tatsache, dass der Barkeeper es extrem gut mit uns meinte und die Gläser dabei bis an den Rand gefüllt hatte, war das gar keine so leichte Aufgabe. Außerdem fiel es mir auch aus einem ganz anderen Grund schwer, mich auf das Tragen zu konzentrieren. Meine Gedanken waren schließlich bereits schon lange wieder zu dem Mann ganz vorne an unserem Tisch gewandert, nachdem mir diese idiotischen Kommentare von vorhin plötzlich erneut im Kopf herumspukten.
Harry war tatsächlich etwas forsch was unsere Beziehung betraf. Er ließ keine Gelegenheit aus, um mit mir zu flirten und keine Vorlage meinerseits ungenutzt, um mir einen lässigen Spruch rein zu drücken. Allerdings empfand ich das bisher nie als offensichtlicher Versuch mich anzumachen, vielmehr schien es seine Art zu sein sich in die Gruppe einzubringen. Oder irrte ich mich diesbezüglich etwa?
Innerlich den Kopf schüttelnd über meine abstrusen Gedankengänge –Harry war glücklich verlobt und definitiv nicht an mir interessiert– platzierte ich halbwegs unfallfrei das Tablett vor mir auf dem Tisch. Eines der Gläser war leider leicht übergeschwappt, weswegen ich es direkt in die Hand nahm und den Rand mit meiner Zunge sauber leckte. Augenblicklich durchrüttelte mich ein unangenehmer Schauer und mir fuhr ein beißender, brennender Geschmack über die Zunge. Was auch immer das war, es war außergewöhnlich und heftig. Aber dennoch nicht ganz verkehrt, wie ich im Nachhinein anerkennend feststellen musste.
«Seht euch das mal an, Leute! So gierig kenne ich meinen Bruder gar nicht. Konntest du dich nicht wenigstens zurückhalten, bis wir gemeinsam angestoßen haben?», versuchte mich meine Schwester zu foppen, was ihr aber sowas von gar nicht gelang. Ihre Kommentare war ich über die Jahre hinweg gewohnt, somit konnte sie mir gar nichts mehr anhaben. Meistens jedenfalls. Ab und zu kamen wir uns sicher auch mal in die Haare, dennoch stritten wir schon lange nicht mehr so oft, wie noch als Kinder.
«Ich musste halt dringend was dagegen unternehmen, Lexi. Nicht dass noch mehr von dem edlen Tropfen verschwendet wird. Außerdem färbt Harry ab. Das mit der Zurückhaltung ist nun ab sofort auch bei mir Geschichte. Stimmt's?", zwinkerte ich ihm lächelnd zu. Mein Strahlen stellte ich jedoch abrupt ein, als ich seinen quälenden Blick sah. Anscheinend war er immer noch nicht ganz bei der Sache. Dann musste eben doch der Alkohol aushelfen. «Hier, nimm. Damit geht's dir gleich viel besser, glaub mir.»
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Mein neuer Anfang
FanfictionHarry konnte sich eigentlich absolut nicht beschweren. Als erwachsener Mann stand er genau da, wo er immer sein wollte. Mit einer Traumfrau an seiner Seite und einem Job, die er beide über alles liebte. Doch obwohl er sich dank seines tänzerischen T...