30 - Harry

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Ich betrachtete mich ein letztes Mal missmutig im Spiegel und seufzte bei meinem eigenen Anblick. Um ehrlich zu sein war ich genervt von mir selbst. Egal was ich auch anprobiert hatte, nichts schien mir zugefallen. Es waren zwar alles meine Klamotten, doch bei dem Gedanken Matt heute Abend wieder zu begegnen, kam ich mir in meiner eigenen Kleidung fremd vor. Nichts passte. Das rote Hemd war zu auffällig, das weiße T-Shirt zu schlicht und über den olivgrünen, flauschigen Pullover wollte ich erst gar nicht nachdenken. Ansonsten war hauptsächlich viel eintöniges schwarz und blau dabei. Nichts Besonderes jedenfalls.

Der heutige Abend und die kleine Party, die anberaumt wurde um den morgigen Arbeitsbeginn zu feiern, stand unter einem lockeren Anlass. Ich sollte nicht all zu förmlich erscheinen, allerdings auch nicht in Schlafshirt und Pyjamahose. Beschämt stellte ich fest, dass ich eigentlich nur etwas finden wollte, was Matt vielleicht gut an mir fand.

Kopfschüttelnd versuchte ich den Gedanken loszuwerden, dass ich mich nur für ihn hübsch machte. Es war mir peinlich mich wie ein pubertierender Teenager aufzuführen, der sich für sein erstes Date fertig machte. So hatte ich mich in all den Jahren, in denen ich meine Verlobte schon kannte, noch nie aufgeführt. Natürlich wollte ich auch sie mit meinem Äußeren beeindrucken, aber das war ein himmelweiter Unterschied. Im Gegensatz zu Shelby schüchterte mich Matt durchaus ein wenig ein. Er ließ mich auf eine Art und Weise schwach wirken, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte.

Mit meinem Outfit war ich selbst nach langem überlegen immer noch nicht wirklich glücklich. Ich schlüpfte erneut aus meinen schwarzen Skinny Jeans – ja, ich hatte sie schon zum zweiten Mal für heute anprobiert – und pfefferte sie frustriert aufs Bett. Wieder ging ich hinüber zu meinem Kleiderschrank und sah mich in der Hoffnung um, endlich das Passende zu finden. Als ob da jetzt auf einmal was drin ist, was vorher noch nicht da war, kam es mir genervt in den Sinn. Aber das musste es einfach, was blieb mir sonst übrig?

Doch auf einmal blitzten Matts schimmernde Augen für einen Moment in meinen Gedanken auf, wodurch mich das Bedürfnis überkam mich passend zu ihnen zu kleiden. Nicht dass er das merken würde, allerdings klang das für mich wenigstens nach einem halbwegs guten Plan. Alternativlos wie ich bisher nun mal gewesen war, sah ich diese Idee definitiv als Fortschritt an.

Das einzige was seinen Augen jedoch ansatzweise ähnelte, war die cognacfarbene Chino Hose, die ich bisher mehr oder weniger ignoriert hatte. Vielleicht deshalb, weil ich sie damals zusammen mit Shelby gekauft hatte, aber mit diesem Denken musste nun endlich mal Schluss sein, sonst drehte ich irgendwann noch vollkommen durch. Wenn ich das nicht sowieso bald tat. Mit Shelby und Matt in meinem Kopf tobte dort unentwegt ein Chaos, welches nicht den Anschein machte, sich bald zu bessern.

Angesichts fehlender anderer Brauntöne in meiner Kleidung, entschied ich mich also letztendlich tatsächlich für diese Hose. Dazu passend zog ich ein schlichtes tiefschwarzes Langarmshirt mit knappem Rundhalsausschnitt an, von welchem von der Mitte ausgehend nach unten, vier Knöpfe angebracht waren. Wieder ertappte ich mich dabei, wie ich an Matt dachte – dieses Mal jedoch eindeutig anrüchiger und versauter. Viel zu oft hatte ich mir schon vorgestellt, wie er mich an allen möglichen Stellen berührte, genauso wie ich es mir auch jetzt wünschte.

Ich bekam Schnappatmung allein bei der Vorstellung wie er jeden einzelnen der Knöpfe quälend langsam öffnete und sich an meinem Hals und meiner Brustmitte entlang küsste und an der dank seiner Lippen erhitzten Haut, festsaugte. Immer wieder und wieder, bis er so tiefe Spuren hinterließ, die mich als den Seinen markierte. Und nichts anderes wollte ich sein.

Vielleicht war meine Kleiderwahl also doch nicht die schlechteste, stellte ich amüsiert fest und ohrfeigte mich gedanklich selbst für meine schmutzigen Fantasien. Bis ich Matt kennengelernt hatte, kam mir nie in den Sinn an Sex mit Männern zu denken. Nun war ich regelrecht besessen von ihm und der Idee, es in irgendeinem dreckigen Hotelzimmer miteinander zu treiben. Ich war sowas von scharf auf ihn und musste regelrecht an mich halten, später nicht vor aller Augen über ihn herzufallen.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt