43 - Matt

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Wie vom Blitz getroffen, drehte ich mich ruckartig zur Seite und blickte sogleich in das entschuldigende Gesicht von Isaiah, der versuchte mich mit einem schiefen Lächeln aufzumuntern. Ein Versuch, welcher leider von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Egal was er getan oder gesagt hätte, es brachte mir Harry nicht an meine Seite.

Ohne es zu wollen, wurde mir der Boden unter den Füßen genommen und ich lernte den Schmerz kennen, den ein Fall in die unendliche Tiefe mit sich zog. Ich wusste schon länger, dass Harry mir mehr bedeutete, als es gut für mich war, doch dass allein seine fehlende Anwesenheit so etwas in mir auslöste, überforderte mich von der einen auf die anderen Sekunde.

Und nichts, aber auch gar nichts half dagegen. Die Erkenntnis, dass Harry mich erst gestern alleine gelassen hatte und nun schon wieder seinen eigenen Weg ging, traf mich so heftig wie ein Kolibri, der gegen eine Glasscheibe flog. Ein dumpfer Schmerz fuhr durch meinen ganzen Körper und paralysierte mich und meine Gedanken, bevor ich auch nur den Hauch einer Chance hatte, diesem Gefühl irgendwie entgegen zu wirken. Wie festgewurzelt stand ich sekundenlang schlichtweg auf ein und derselben Stelle, während ich krampfhaft versuchte meine letzten Kraftreserven zu bemühen, um auch ja nicht das letzte bisschen Würde zu verlieren, das übrig geblieben war.

Mit verschlossenen Lippen nickte ich Sai zu, der sofort zu verstehen schien. Ich war froh, dass ich mich nicht weiter erklären musste und ging stattdessen einfach kommentarlos auf einen der großen Vans zu, die uns in mehreren kleinen Grüppchen zu den nahegelegenen Dixie Studios bringen sollten. Ohne mich noch einmal nach hinten umzusehen, stieg ich mit einer mords schlechten Laune in das Auto ein und schloss für einen Moment meine Augen.

Neulich hatte ich von einer besonderen Atemtechnik gehört, die einen angeblich beruhigen sollte und mit der man all seine negativen Gedanken aus dem Kopf vertreiben konnte. Nur schwach erinnerte ich mich an die Übung und musste bereits nach wenigen Augenblicken frustriert feststellen, dass es mich eigentlich nur noch wütender machte. Kurz gesagt verschlimmerte es mein Aggressionslevel um ein Vielfaches und ich hoffte, dass mich so schnell niemand darauf ansprach. Oder generell versuchte eine Unterhaltung mit mir zu beginnen.

Erst als wir losfuhren, spürte ich ein wenig von dem Druck abfallen, der auf meinen Schultern Platz genommen hatte. Warum das so war erschloss sich mir nicht wirklich, auch wenn ich eine starke Vermutung hatte, die bestimmt alles andere als an den Haaren herbeigezogen war. In Gedanken versunken starrte ich aus dem Fenster des Vans und versuchte dabei nichts und niemanden mehr an mich ranzulassen. Doch natürlich gelang mir das keineswegs und so drehte sich mal wieder alles nur um Harry. Seit ich diesen Mann kennengelernt hatte, ging es kaum noch um etwas anderes.

Wie sehr er mich beherrschte und durcheinander brachte, wusste er wohl kaum, aber selbst wenn, würde es vermutlich rein gar nichts ändern. Seinem Verhalten nach zu urteilen war ich nicht mehr als irgendein Spielzeug für ihn, welches man nach Benutzung einfach so links liegen lassen konnte. Oder vielleicht sogar ganz wegwarf. Für mehr war ich doch gar nicht erst gut, das hatte er mir jetzt mehr als deutlich gemacht. Aus dem Weg ging man nur jemandem, mit dem man absolut nichts mehr zu tun haben wollte. Vielleicht schämte er sich auch für das, was wir beide miteinander getrieben hatten, auch wenn es für mich persönlich mit das Unglaublichste war, was ich je erlebt hatte.

Doch was half es mir zu jammern? Es änderte im Endeffekt überhaupt nichts. So kaputt wie ich mich deswegen gerade fühlte, würde dieser Tag zu einer immensen Tortur werden, bei der ich mir nicht sicher war, wie ich diese überleben sollte. Seufzend versuchte ich also diese schrecklichen Gedanken so gut es ging beiseite zu schiebe, denn weder wollte ich benutzt werden, nur um irgendjemandes geheime und schmutzigen Fantasien hinter verschlossenen Türen zu verwirklichen, noch wollte ich mich weiterhin so miserabel fühlen.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt