64 - Matt

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«Kühe, Fotografie und Motorsport?», wiederholte Harry mit ungläubigem Blick in den Augen, welche ausnahmslos auf mich gerichtet waren.

«Wenn du das so einfach aufgezählt wiedergibst, klingt das tatsächlich etwas seltsam», gab ich murmelnd zu und kratzte mich etwas verlegen am Hinterkopf.

Stan hatte gerade unseren dritten Gang abgeräumt, besser gesagt den wenigen Rest der davon übrig geblieben war. Nach unserer Vorspeise wurden wir mit einem kleinen Zwischengang überrascht, der aus zwei dünnen Scheiben selbst gemachtem Hausbrot sowie drei winzigen Schälchen mit Bärlauchbutter bestand, die uns anschließend auch zum Steak als Hauptgericht serviert wurde. Mittlerweile waren wir beide sehr gesättigt und hatten das dem anderen gegenüber auch mehr als nur einmal erwähnt. Doch auf die Nachfrage hin, ob noch etwas Platz für ein kleines Dessert zum Abschluss des Abends wäre, nickten wir beide beschämt unserem Kellner zu. Dieser war angesichts unserer vollen Bäuche, die wir uns schwer atmend mit beiden Händen festhielten, arg amüsiert und verabschiedete sich summend aus unserem Iglu.

«Für mich klingt das eher nach einem furchtbar seltsamen Albtraum oder einem dermaßen schlecht geratenen Trashfilm. Ein attraktiver junger Fotograf, gefangen im New Yorker Central Park Zoo, der mithilfe von den dort lebenden Kühen um sein Leben kämpft, weil ihn außer Kontrolle geratene Sportwagen jagen.» Harrys Lachen füllte den Raum, doch anstatt sauer darüber zu sein, dass er sich anscheinend gerade über meine Hobbys lustig machte, konnte ich ihn einfach nur anstarren. Er sah so verboten gut aus, wenn er lachte und der Klang seiner Stimme machte etwas mit mir, das mich in pure Faszination verfallen ließ.

«Mit dir in der Hauptrolle würde ich mir den Film jederzeit ansehen», teilte ich ihm unverblümt mit und behielt den Gedanken ganz nah bei mir, irgendwann in naher Zukunft all die Streifen anzusehen, in denen er mitgespielt hatte. Vor allem diese Serie, bei der dieses verdammt scharfe Musikvideo entstanden war. Wer auch immer die Idee gehabt hatte, Harry in Lack und Leder zu stopfen, ich war derjenigen Person schon jetzt bis auf ewig dankbar.

«Das glaub ich dir gerne, so wie du mich gerade anstarrst», grinste mein bisexueller Hexenmeister erheitert in meine Richtung und durchschaute mich, wie er es vermutlich von Anfang an getan hatte. Doch in seiner Gegenwart war es mir vollkommen egal. Wenn einer hinter meine Fassade blicken durfte, dann war es dieser wundervolle Mann mit den asiatischen Gesichtszügen, die ihm eine Eleganz verliehen, in die man sich einfach nur verlieben konnte. Insbesondere wenn man ihn von der Seite betrachtete, fiel einem die außergewöhnlich Kieferpartie auf, deren Kanten so ausgeprägt waren, dass man jedes Mal darüber streicheln wollte.

«Bei dem Aussehen ist es kein Wunder, dass ich dich die ganze Zeit über betrachten möchte. Egal wie sehr sich dein Anblick in mein Gedächtnis gebrannt hat oder wie viele tolle Bilder es von dir gibt, an das Original kommt einfach nichts heran. Wie könnte ich den Blick also jemals von dir nehmen?», stellte ich ihm eine rhetorische Frage, die er dennoch beantworten zu wollen schien.

«Das musst du nicht. Zumindest nicht, wenn du es nicht willst. Ich könnte mich jedenfalls glatt daran gewöhnen so von dir angesehen zu werden. Das erlaubt es mir nämlich das Gleiche auch mit dir zu tun», zwinkerte Harry mir verführerisch zu und löste damit Sehnsüchte in mir aus, von denen ich nicht wusste, dass ich sie jemals verspüren würde. In mir kam plötzlich das Verlangen auf, jeden Abend neben diesem einzigartigen Mann einzuschlafen und jeden einzelnen Morgen an seiner Seite aufzuwachen.

Mittlerweile wurde ich bei Harrys Worten nicht mehr ganz so rot, wie am Tag unseres Kennenlernens. Auch wenn ich mich noch lange nicht an das ständige Flirten gewöhnt hatte und hoffte, dass ich das auch niemals tat, war es dennoch zu etwas Vertrautem geworden, das ich so niemals mehr missen mochte. Ohne eine Chance auf Gegenwehr, war ich diesem Mann auf jede erdenkliche Art und Weise verfallen, dass es mir das Herz zerbrach, wenn ich allein nur daran dachte, dass das mit uns nichts werden könnte. Wenn er die Zeit mit mir zwar genoss, aber nicht bereit war mehr daraus zu machen.

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