15 - Matt

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Schweigend liefen Harry und ich aus dem Hotel. Die Situation zwischen uns schien schon wieder etwas angespannt, allerdings empfand ich es dieses Mal nicht wirklich als störend. Es fühlte sich gut an, fast schon normal wie wir nebeneinander her gingen, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken.

Meine kreisten unentwegt um Harry, denn selbst wenn ich versuchen würde an etwas anderes zu denken, spätestens nach wenigen Augenblicken kehrte ich doch zu ihm zurück. Letztendlich machte ich mir immer noch Sorgen um ihn. Als er sich heute Nachmittag so plötzlich von uns allen verabschiedet hatte, war ich so nah dran gewesen ihm hinterher zu rennen. Ich wusste nicht genau was mit ihm los war, aber er war definitiv nicht ganz bei der Sache. Ehrlichgesagt hatte sich mein Kummer seitdem vervielfacht. Ich wollte nicht, dass es ihm schlecht ging.

Ein Anruf von Esther hatte mich schließlich aufgehalten ihm nachzugehen. Sie faselte etwas davon, dass sie sich gleich mit Lexi treffen würde und sie nachher noch was zusammen trinken gehen wollten. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sich meine Freundin besser mit meiner Schwester verstand als ich es tat, obwohl Lexi und ich immer unzertrennlich waren. Nicht zuletzt weil wir beide denselben Beruf liebten.

«Woher wusstest du eigentlich meine Zimmernummer?», drang Harrys Stimme plötzlich an mich heran, nachdem er dem Taxifahrer die Adresse der Kneipe durchgegeben hatte.

Verwirrt blinzelte ich ihn an und musste dann schmunzeln. Es war das Erste, was er zu mir sagte, seit wir das Hotelzimmer verlassen hatten. Außerdem war da wieder das Funkeln in seinen Augen, auch wenn es lediglich die pure Neugier war. Dennoch freute es mich ihn so zu sehen.

«Ich hab unten am Empfang nachgefragt», antwortete ich mit einemverschmitzten Lächeln auf den Lippen. Kurz huschte die Erinnerung an die beiden Damen, denen ich eine herzzerreißende Story aufgetischt hatte, in den Vordergrund meiner Gedanken. Entgegen der Meinung meiner großen Schwester, besaß ich nämlich sehr wohl den nötigen Charme, auch wenn ich diese Trumpfkarte nur sehr ungerne ausspielte.

«Und die haben dir das einfach so mitgeteilt?!», hakte Harry erstaunt nach.

Verblüfft riss er ganz weit die Augen auf. Ich konnte einen Hauch Angst in seinen Augen erkennen. Kopfschüttelnd versuchte ich ihn schnellstmöglich zu beruhigen und kratzte mir dabei etwas verlegenden Hinterkopf. Wirklich angeben wollte ich ja jetzt nicht, doch ich musste mir durchaus selbst auf die Schulter klopfen, dass mir ganz spontan so etwas Geniales eingefallen war.

«Nun ja, vielleicht hab ich etwas geflunkert.» Mein Grinsen wurde immer breiter, als ich bemerkte wie neugierig und gleichzeitig ungeduldig er wurde. Flehend blickte er zu mir und bat mich stumm um Erklärung. «Eventuell hab ich denen erzählt, dass ich heute Abenddeinen Chauffeur spiele und im Auftrag deiner Verlobten dafür sorgensoll, dich rechtzeitig abzuholen. Als ich erklärte, dass sie mir die falsche Zimmernummer genannt hatte und sie telefonisch gerade nicht zu erreichen war, bat ich darum mir die richtige zu nennen.»

«Du hast also gelogen?» Skeptisch sah er mich an, verzog dann aber recht schnell ebenfalls seine Mundwinkel nach oben. Sein Schmunzeln machte meinem Konkurrenz und zeigte mir gleichzeitig auf, dass er mir deswegen nicht wirklich böse war. Nun ja, letztendlich hatte ich ihn mit dieser Aktion immerhin vor dem Schlimmsten bewahrt.

«Was hätte ich denn machen sollen? Die Alternative wäre gewesen an jedem einzelnen Zimmer anzuklopfen, was mich aber definitiv mehr Zeitgekostet hätte. Die kleine Notlüge war also notwendig, sonst säßen wir jetzt nicht in diesem Taxi. Und deine Nummer um dich anzurufen oder dir eine Nachricht zu schreiben, hab ich ja nicht», murmelte ich den letzten Satz etwas leiser. Etwas beschämt schaute ich zur Seite aus dem Fenster und hoffte, dass es ihm nicht aufgefallen war wie peinlich mir das war. Man konnte beinahe annehmen, dass es sich um einen kläglichen Versuch handelte an seine Nummer heranzukommen.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt