25 - Matt

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Es nutzte mir nichts in Selbstmitleid zu versinken, so viel war mir durchaus klar und dennoch hatte ich schwer damit zu kämpfen. Dabei hörte es sich so simpel an, wenn ich genauer darüber nachdachte. Ich musste es einfach nur irgendwie schaffen mich ordentlich bei Harry zu entschuldigen und den Abend für mich damit als beendet zu erklären. Mehr nicht. Dann konnte ich problemlos Händchen haltend mit Esther zurück ins Hotel verschwinden und wie so oft in den letzten Jahren, seelenruhig neben ihr einschlafen. Morgen wäre dann ein neuer Tag, einer den ich ohne ihn verbringen würde, was es sicher einfacher machte, alles zu vergessen.

Die bloße Vorstellung ließ mich auf einmal gekünstelt lächeln. So sehr ich ihn ja loswerden wollte, so sehr sehnte ich mich gleichzeitig nach ihm. Es war zum Haare raufen.

«Wie ich deinem hübschen Lächeln entnehmen kann, geht's dir anscheinend ganz gut», ertönte plötzlich eine hauchzarte Stimme vor mir.

Erschrocken zuckte ich zusammen und richtete meinen Blick auf die Person, die gerade aus dem Gebäude hervorgetreten war. Harry ...

«Was machst du denn hier?», fragte ich verblüfft und stieß mich ein Stück von der Laterne ab, sodass ich ihm nun fast press gegenüber stand. Natürlich zog es mich wieder direkt zu ihm.

«Deine Schwester meinte, du wartest hier draußen auf mich. Aber deiner Reaktion nach zu urteilen, war das wohl gelogen. Du willst mich gar nicht sehen, stimmt's?»

Unsicher sah ich ihm entgegen und schüttelte leicht den Kopf. Ich wollte es gerade nicht wirklich, obwohl ich es sollte. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann musste ich erstmal für mich verarbeiten was geschehen war. Mit Harry in meiner Nähe wäre das aktuell eher kontraproduktiv. Doch hatte ich schon erwähnt wie gegensätzlich und sprunghaft meine Gefühle und Gedanken waren, wenn es um ihn ging? Quasi sekündlich änderte sich meine Meinung. Mal wollte ich ihn sehen und mich entschuldigen, mal wollte ich einfach nur verschwinden und alles mit mir selbst ausmachen.

«Verstehe», seufzte Harry schließlich resigniert und ließ enttäuscht seinen Blick zu Boden sinken. «Entschuldige meinen erneuten Überfall. Manchmal weiß ich echt nicht, wann ich besser aufhören sollte. Das hat mich schon öfters in Schwierigkeiten gebracht und obwohl ich versuche mich zu bessern, trete ich anderen dennoch oftmals viel zu nahe. Tut mir leid, Matt. Am besten ist es wenn ich einfach verschwinde, dann könnt ihr in Ruhe ...»

Weiter ließ ich ihn nicht reden. Stattdessen packte ich ihn an den Oberarmen und schubste ihn nach hinten an die steinerne Hauswand des Gebäudes neben der Kneipe. Mein Verstand war komplett ausgeschaltet, es war als ob mein Körper vollkommen von alleine handelte. So als ob er sich nach nichts anderem mehr sehnte, als nach diesen Mann vor mir. Augenblicklich nahm ich nur noch Harry und seine außergewöhnlich starke Präsenz wahr. Erneut stieg mir dieser animalische Duft, gepaart mit seinem körpereigenen Parfüm, in die Nase. Gleichzeitig drang sein heftig pressender Atem, der die Erinnerung an das süß-säuerliche Aroma der Moutais zurückbrachte, an meine Geschmacksknospen. Unweigerlich leckte ich mit meiner Zunge über meine etwas trocken gewordene Lippen, während ich Harry keine Sekunde aus den Augen ließ.

Unter meinen großen Händen, welche ihn nach wie vor an die kalte Hauswand pressten, spürte ich deutlich seine ausgeprägten Oberarmmuskeln. Meine Berührungen lösten anscheinend ein beklemmendes Unbehagen in ihm aus, was ihn sofort anspannen ließ. Am liebsten würde ich mit meinen Finger sanft an seinen Armen entlang fahren, um ihm eben genau diese Anspannung zu nehmen. Ich wollte ihm Gutes tun, nicht ihn sich schlecht fühlen lassen.

Entschlossen starrte ich in Harrys irritierte und gleichzeitig wunderschöne, funkelnde Augen. Bei seinem atemberaubenden Anblick musste ich mir sofort auf die Unterlippe beißen. Zumindest versuchte ich damit den Anschein zu wahren und meine außer Kontrolle geratenen Triebe zurückzuhalten. Als ich nach kurzer Zeit jedoch ein stoßweises Keuchen vernahm und überrascht feststellte, dass es von mir selbst kam, wusste ich, dass ich absolut nichts kontrollieren konnte. Ich war mir selbst hilflos ausgeliefert.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt