«Sehr seltsam», nuschelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart und betrachtete verwundert das kleine Gerät in meiner Hand, welches mir nun schon zum wiederholten Male mitteilte, dass mein Gesprächspartner gerade nicht zu erreichen war.
«Vielleicht ist er beleidigt, weil du ihm und den anderen abgesagt hast. Und jetzt sitzt er bockig in der Ecke und verzieht ständig das Gesicht, wenn er deine Nummer auf dem Display sieht», kicherte Harry neben mir. Das niedliche Geräusch drang an meine Ohren und ich ertappte mich dabei, wie alleine deswegen mein Herz schneller schlug. Es genügte etwas so Simples und Banales, um mich glücklich zu machen. Eine schlichte Berührung, eine gewohnte Geste so wie unser Nicken, mehr brauchte ich nicht.
«Das könnte ich mir bei Dom sogar sehr gut vorstellen. Dabei sieht er echt furchtbar aus, wenn er schmollt. Kein Vergleich zu dir, wenn du deine Lippen so hinreißend zusammendrückst und dir die Nase so anmutig rümpfst. Wirklich herzallerliebst, wie du dein Gesicht verziehst. So bezaubernd und reizend wie eigentlich immer», versuchte ich seine Gesichtszüge nachzuahmen, sah währenddessen aber bestimmt nicht einmal ansatzweise so gut aus wie Harry.
«Ein Kuss fürs Versuchen, Matthew», hauchte er mir zärtlich entgegen und belohnte mich auch sofort mit einem leidenschaftlichen, stürmischen Kuss, nachdem ich mein Gesicht nach der anstrengenden Nachahmung wieder halbwegs unter Kontrolle gebracht hatte.
«Ich mag das. Du bist der Einzige aus dessen Mund mein Name nicht komisch klingt. Oder vorwurfsvoll wie bei meiner Mum früher. Naja oder heute, wenn ich mich mal wieder tagelang nicht bei ihr melde. Dann bekomme ich immer wieder von ihr zu hören, wie toll meine Schwestern doch immer sind, weil ihnen im Gegensatz zu mir die Familie wenigstens noch etwas bedeutet.»
«Ja, das kenne ich irgendwo her. Ist bei meinen Eltern nicht viel besser. Da kannst du ein noch so braver Sohn sein, meldest du dich einmal nicht im üblichen Turnus, bekommst du das sofort vorgehalten. Aber wenn die liebe Cristina mal wieder wochenlang nichts von sich hören lässt, weil sie in der ganzen Weltgeschichte umherwandert oder unsere Susana sich in eine ihrer seltsamen Selbstfindungsphasen befindet, dann ist alles in Ordnung. Das zählt dann plötzlich als Ausrede. Wehe aber der arme Harry ruft nicht an oder lässt sich zuhause blicken. Der hat ja nur einen Job, der ihn vollkommen einnimmt.»
«Nicht zu vergessen ein kompliziertes Liebesleben», ergänzte ich schelmisch grinsend. Harry hatte sich fast ein wenig in Rage geredet und ich hoffte ihn mit meinen Worten ein wenig aus der Fassung zu bringen. Seinem süßen Lächeln nach zu urteilen, schien mir das tatsächlich geglückt zu sein.
Gerade als Harry etwas erwidern wollte – ich konnte es ihm an seiner Nasenspitze ansehen, dass ihm ein lockerer Spruch auf der Zunge lag – vernahm ich das Vibrieren meines Smartphones, welches zwischenzeitlich wieder in meiner rechten Manteltasche verschwunden war. Gespannt, ob mein Parabatai sich mittlerweile eingekriegt hatte und reumütig um Verzeihung bat, holte ich mein kompaktes Allroundtalent hervor.
Irritiert sah ich auf das Display, welches einen ganz anderen Namen aufzeigte. Harry beugte sich ein Stück nach vorne und lehnte seine Stirn an meinen Kopf, um mit einem Blick nach unten ebenso überrascht festzustellen, dass die Gruppe sich wohl dafür entschieden hatte, den Ältesten von ihnen vorzuschicken. Ich seufzte und holte ein letztes Mal tief Luft, bevor ich das Gespräch annahm. Dankbar dafür, dass Harry sich meine freie Hand schnappte und fest mit seiner umschloss.
«Hallo, Sai! Nett von dir, dass du dich freiwillig meldest um mich anzurufen», begrüßte ich Isaiah mit einem freundlichen Lächeln, welches er zwar nicht hören, aber sicher dennoch durch das Telefon spüren konnte. Wenn einer das Gespür für so etwas hatte, dann er. Allerdings brachte mich das auch zum Grübeln, ob er nicht noch geeigneter dafür war, meine Notlüge zu durchschauen. Vielleicht besaß er aber auch genügend Anstand und fragte nicht weiter nach.
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Mein neuer Anfang
FanfictionHarry konnte sich eigentlich absolut nicht beschweren. Als erwachsener Mann stand er genau da, wo er immer sein wollte. Mit einer Traumfrau an seiner Seite und einem Job, die er beide über alles liebte. Doch obwohl er sich dank seines tänzerischen T...