34 - Matt

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Am liebsten hätte ich mir gerade gerne selbst einen Schlag auf den Hinterkopf gegeben. Mir war durchaus aufgefallen, dass ich, je näher ich dem Museum und somit zwangsläufig auch Harry kam, entsprechend immer nervöser und unsicherer wurde. Aber dass ich nicht einmal den leisesten Hauch einer Chance hatte ihm und seinem umwerfenden Lächeln zu widerstehen, war einfach nur entsetzlich. Und traurig, wenn ich daran dachte was das über meinen Charakter aussagte.

Ich hatte mir fest vorgenommen in Ruhe mit Harry zu reden, doch als ich ihn und die anderen nach Betreten des Raumes erblickte, schob sich bei mir einzig und allein der Wunsch in den Vordergrund, mit auf dieses Foto zu wollen. Es war, als ob alles andere in meinem Kopf verdrängt wurde und ich nur noch ihn im Fokus hatte.

Wenn Harry dabei war eine Erinnerung für die Ewigkeit zu schaffen, wollte ich nicht fehlen. Vielleicht war es egoistisch und unangebracht, aber mein Körper hatte sich fast wie von alleine bewegt. Beinahe so, als ob Harry und ich uns wie zwei Magnete magisch anzogen. Natürlich war es absurd das so zu sehen, doch was konnte ich schon dagegen tun? Wenn man an etwas partout nicht denken wollte, tat man es letztendlich doch umso mehr, oder nicht? Warum etwas versuchen, was eh zum Scheitern verurteilt war? Außerdem musste ich ja zwangsläufig in seiner Nähe sein, sonst konnte ich ja wohl kaum mit ihm sprechen.

Ich schummelte mich daher also still und klammheimlich unter die anderen und strahlte wie ein Honigkuchenpferd in die Kamera. Keine Sekunde später war das Foto gemacht und eine quietschende Kat schmiss sich freudig in meine Arme.

«Matt! Endlich bist du da! Wo warst du denn so lange?», wollte sie von mir wissen, doch irgendwie wollte ich mich im Augenblick nicht erklären. Stattdessen fuhr ich ihr einfach beruhigend über die Schultern, auch wenn meine Aufmerksamkeit jemand ganz anderem galt.

Mein Blick haftete beharrlich auf Harry und zwar ausschließlich auf ihm. Ich spürte, wie er mich entsetzt anstarrte und es schien, als ob er regelrecht geschockt wäre von meinem plötzlichen Auftritt. Vielleicht hätte ich es doch weniger dramatisch werden lassen und stattdessen schon viel früher aufkreuzen sollen. Besser gesagt, hätte ich das auf jeden Fall machen müssen. Da ich aber viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt war, hatte ich leider viel zu lange für diese Erkenntnis gebraucht.

Ich lächelte Harry entschuldigend an und legte dabei all meine verworrenen Gefühle in meinen Blick. Hoffentlich war er nicht all zu sauer, obwohl ich ihm das letztendlich nicht mal verübeln könnte. Andererseits stellte sich mir die Frage, warum ausgerechnet er es sein sollte, wenn die anderen mir deswegen keineswegs böse zu sein schienen. Eventuell enttäuscht davon, dass ich nicht früher aufgetaucht war, doch ganz bestimmt nicht wütend.

Aber kaum, dass ich anfangen wollte mich zu erklären und mich insbesondere bei ihm zu entschuldigen, raubte er mir eben jene Hoffnung. Ich konnte den Wandel in seinen Augen erkennen, so als würde ich in Zeitlupe mit ansehen, wie die Verwunderung sich in etwas verwandelte, was mir absolut nicht gefiel. Apartheit gemischt mit leichter Wut und einem Reflex, den ich selbst nur zu gut kannte: Flucht.

Bedröppelt und enttäuscht schaute ich ihm hinterher, als er sich kommentarlos von uns abwandte und zur Bar hinüber lief. Entweder war er auf einmal arg durstig, oder er ging mir absichtlich aus dem Weg.

«Alles in Ordnung bei dir, Matt?», fragte mich plötzlich eine sanfte, aber dennoch bedrückt wirkende Stimme, die ich sofort meiner Lieblingsautorin zuordnen konnte. Ich nickte ihr stumm zu, während ich meinen Blick einfach nicht von meinem Hexenmeister lösen konnte. Schuldgefühle kamen auf, obwohl ich mir geschworen hatte, nichts dergleichen mehr für ihn zu empfinden.

«Welche Laus ist dem denn über die Leber gelaufen?», platzte es aus mir heraus und ich klang dabei genervter als eigentlich gewollt. Er war ja jetzt wohl nicht wirklich allein wegen mir so drauf, oder? Mit Sicherheit interpretierte ich zu viel in die Sache hinein und sei es nur, weil ich mir wünschte, dass er das mit uns noch nicht vergessen hatte.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt