17 - Harry

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« ...Erde an Harry! Bist du noch da?», ertönte eine laute Stimme und zerrte mich unsanft aus meiner Fantasie heraus. Ich zuckte unweigerlich zusammen, als sich ein paar kräftige Hände winkend vor meinem Gesicht bewegten und um Aufmerksamkeit baten.

«Was?», antwortete ich patzig und vergraulte damit das Lächeln, welches bis eben noch auf Matts Lippen lag. Auf denen sich natürlich auch kein Bierschaum mehr befand, den ich entfernen konnte. Was an sich gesehen vielleicht auch ganz gut war. Es wunderte mich allerdings, dass ich darüber jetzt doch ein wenig enttäuscht zu sein schien. So richtig konnte ich meine Gefühle diesbezüglich noch nicht einordnen, dazu herrschte ein zu großes Chaos in meinem Kopf. Und zwischen all den verwirrenden Emotionen, stand mein großer, schwarzhaariger Shadowhunter stets im Mittelpunkt. Immer wieder zog es mich zu ihm hin und ich wollte Dinge, die ich mir zuvor nie im Leben vorgestellt hatte.

Matt hatte sich nach meiner seltsamen Reaktion jedenfalls ganz schnell wieder zurückgezogen und umfasste mit seinen beiden Händen sein Glas. Anscheinend war damit unser Gespräch beendet, denn er wandte sich abrupt seinem Sitznachbarn Dom zu und erzählte ihm von seinem Besuch im New Yorker Central Park Zoo. Gebannt lauschte ich seinen Worten, unfähig auch nur eine einzige Silbe zu erwidern. Ich hing an seinen Lippen und war einfach nur froh mehr über ihn zu erfahren.

Ich musste plötzlich ganz laut anfangen zu lachen, als er berichtete wie er mit einem Pfleger sprach und ihn darum bat ein Foto von ihm zu knipsen, während er neben einer Kuh stand. Und nicht nur das, er nannte sie sogar beim Namen und erzählte feucht fröhlich, wie toll sie doch war und dass er am Ende sogar auf ihrem Rücken sitzen durfte. Ich hatte ja schon viele Geschichten von außergewöhnlichen Zoobesuchen gehört, doch diese hier toppte einfach alles.

«Na, sieh mal einer an», drehte sich Matt abrupt zu mir um, was mein Lachen sofort verstummen ließ. Sein Blick hatte etwas dermaßen Autoritäres, dass es mir die Sprache verschlug. Außerdem genügte dieser eine Wimpernschlag, um mir tatsächlich den Atem zu rauben. Unverhohlen starrte ich ihn an, während er zu lachen begann. «Unser Hexenmeister ist also doch noch anwesend. Ich dachte, wir hätten dich ans Land der Träume verloren.»

«Ja klar, wahnsinnig witzig mein lieber Mr. Lightwood. Ich musste nur überrascht feststellen, wie schlecht du im Ablenken bist. Hast du mir nicht vorhin noch ein Versprechen gegeben oder hast du das etwa schon wieder vergessen?», erinnerte ich Matt an seine Worte von vor wenigen Stunden. Dass ich dabei entschieden zu patzig klang, tat mir schon jetzt leid. Weder wollte ich das, noch hatte er so eine Antwort verdient. Schlimmer noch, ich hatte damit sein schönes Lachen unterbrochen, was ich mir gerade selbst nicht verzieh.

«Ablenken lässt sich nur der, der auch abgelenkt werden will. Du aber sitzt doch gedanklich schon im Flugzeug seit wir diesen Schuppen hier betreten haben!» Matts Stimme war um einiges lauter als zuvor. Man sah ihm an, dass er leicht angepisst war. ICH sah es ihm an. Die anderen waren zu sehr mit sich und ihrem Essen beschäftigt.

Also vielleicht war er ja auch nur ein bisschen angefressen und ganz vielleicht, vielleicht, war es auch nur gespielt, dennoch tat es weh das zu hören. Er hatte ja prinzipiell schon Recht, dass ich mit meinen Gedanken woanders war. Aber sie waren doch bei ihm! Nicht bei meiner Verlobten! Auch wenn sie das nicht sein sollten ...nicht auf diese Art und Weise.

«Tut mir leid», gab ich kleinlaut zu und schrumpfte dabei in mich zusammen. «Ich bin manchmal echt ein ziemlich lausiger Zeitgenosse.»

«Ach Quatsch! Außerdem wäre ich der Letzte, der dich für deine Besorgnis und deine Sehnsucht verurteilen würde. Ich denke, an deiner Stelle ginge es mir ganz bestimmt nicht anders.»

Ich nickte ihm zu und seufzte. Natürlich redete er von Shelby und der Situation mit meiner Schwiegermutter in spe. Worüber auch sonst? Es war ja nicht so, dass ihm plötzlich aufgefallen war, was tatsächlich in mir vorging. Jedenfalls hoffte ich, dass es das nicht war. Es würde alles kaputt machen. Matt würde mir diese schmutzigen, perversen Gedanken nie verzeihen. Ich konnte das ja nicht einmal bei mir selbst, wie sollte ich es da ausgerechnet von ihm erwarten?

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt