35 - Matt

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Als ich mit dem Serviertablett in der Hand zurück an den Tisch ging, stockte mir mal wieder der Atem, ohne dass ich darauf vorbereitet war. Ich musste für einen Moment innehalten und war sofort gefangen in der Szene, welche sich mir darbot. Harry sah so wunderschön aus, wenn er aus tiefstem Herzen lachte. Er wirkte dabei so unbeschwert und frei. Einfach glücklich und so ganz anders als in meiner Gegenwart. Neben mir war er bisher eher nachdenklich und grüblerisch, was ich zwar genauso an ihm mochte, aber mir dennoch das Gefühl gab, dass er nie wirklich zufrieden war.

Vielleicht war es aber auch schon wieder schlichtweg absurd von mir, so zu denken. Harry und ich hatten uns getroffen, uns super verstanden und dann kam irgendwann der Augenblick, in dem zwei Welten unausweichlich aufeinander trafen und explodierten. Nun existierten wir zwar nebeneinander her, jeder von uns jedoch auf seine eigene Weise in Trümmern gefangen. Um diesem Trauma zu entkommen gab es nur eine Lösung und die war loszulassen. Sonst würden wir verbrennen wie Ikarus, der der Sonne zu nahe kam. Oder verenden wie Motten, die vom gleißenden Licht angezogen wurden.

«Ihr seid mir ja super Kollegen. Da trage ich euch schon die Getränke hinterher und dann amüsiert ihr euch ohne mich. Nicht einmal einen Sitzplatz habt ihr mir frei gehalten», schmollte ich gekünstelt und behielt mein Tablett absichtlich lange in den Händen.

«Du kannst dich ja auf Harrys Schoß setzen», witzelte Dom und ich konnte nicht verhindern, wie mir daraufhin sämtliches Blut in den Kopf schoss, allein aufgrund der Vorstellung meinem Hexenmeister so nahe zu sein. Schon jetzt vernahm ich seinen betörenden Duft und der Gedanke seinen Körper an meinem zu spüren, trieb mich schier in den Wahnsinn.

«Nein, danke. Das muss nicht sein. Da setz ich mich noch lieber auf deinen», sagte Harry trocken in Richtung Dom, ohne mich dabei anzusehen. Stattdessen hatte er sich eines der Weingläser stibitzt und es direkt an seine zarten Lippen gesetzt.

Bevor ich realisierte, was er da überhaupt gesagt hatte, genoss ich für ein paar Sekunden das Bild von seinem hübschen Mund und schwelgte in Erinnerungen an jenen Abend von vor zwei Wochen. Mir war klar, dass ich so nicht denken durfte, wenn ich Esther ernsthaft zurückbekommen wollte. Aber obwohl ich es wusste und mir die Vernunft einredete, wie falsch es doch war, konnte ich absolut nichts gegen diese wiederkehrenden Gedanken tun. Sie tauchten plötzlich in meinem Kopf auf und drängten sich in den Vordergrund. Immer und immer wieder spielte Harry die Hauptrolle in dieser Geschichte, deren Verlauf nicht mehr zu kontrollieren war und die sicher kein Happy End fand.

«Wow! Gibt's etwa Ärger im Paradies?», kicherte Kat, die vielleicht besser keinen Wein mehr trank. Schon jetzt waren ihre Wangen konstant rötlich gefärbt und ihre Augen wirkten groß und glasig. Außerdem kuschelte sie sich schon die ganze Zeit an Em, die das jedoch überhaupt nicht zu stören schien.

Harry und ich schauten uns kurz an, ein Versuch zu ergründen, was in dem anderen gerade vorging. In seinem Blick konnte ich jedoch nichts erkennen. Es war, als ob er mich nicht einmal richtig wahrnahm, geschweige denn irgendetwas Positives fühlte.

«Ich spiele jedenfalls nicht die beleidigte Leberwurst», verteidigte ich mich und pflanzte mich einfach direkt neben Harry, ungeachtet der Konsequenzen, die er sicher daraus ziehen würde. Aber sollte er ruhig, das war nun nach allem was passiert war, fast auch schon egal. Sollte er meinetwegen Dom bespringen, wenn er meinte mir aus dem Weg gehen zu müssen.

Das Tablett mit den Getränken hatte ich zwischenzeitlich in der Mitte des Tisches abgestellt. Vielleicht nur aus dem Grund, weil ich Harry provozieren wollte, presste ich mich nun jedenfalls an meinen neuen Sitznachbarn, der tatsächlich sofort zur Seite rutschte, als ich ihm auf die Pelle rückte. Ich wusste in diesem Augenblick, dass wir schlimmer waren als Kleinkinder, doch ich sah auch nicht die Notwendigkeit, etwas daran zu ändern.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt