31 - Harry

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«Na, das ist ja mal eine schöne Überraschung! Der ehrenwerte Hexenmeister von Brooklyn beehrt uns mit seiner Anwesenheit. Wenn das mal kein Grund zum Feiern ist!», dröhnte ein tiefes, brummiges Lachen an meine Ohren.

Ich blickte amüsiert in ozeanblaue Augen, wobei das rechte der beiden von einem Braunstich verziert wurde. Es stach eindeutig aus seinem Gesicht hervor und kam bei seinen Fans sicher gut an, doch meiner Meinung nach konnten sie mit Matts wundervollen Augen kein Stück mithalten. Bisher hatte ich jedenfalls noch nicht die Gelegenheit gehabt mich mit Dominic Sherwood alleine zu unterhalten, was sich nun jedoch gerade änderte. Der Blondschopf, der grundsätzlich ein gutmütiges und fröhliches Gemüt zu haben schien, war der Erste auf der Feier, der mich begrüßte.

«Oberster Hexenmeister, wenn ich bitten darf», korrigierte ich mein Gegenüber und erntete daraufhin nur einen weiteren Lacher.

«Natürlich! Wie konnte ich das nur vergessen? Entschuldigen Sie mein unentschuldbares Fehlverhalten», sagte er gekünstelt und verbeugte sich mit einer ausschweifenden Armbewegung vor mir. Um uns herum brachten einige in Kichern aus, waren sie doch sichtlich belustigt von Dominics Geste.

«Schon gut», beruhigte ich ihn und ließ meinen Blick erneut in dem doch überschaubaren Saal umher wandern. Von außen hatte es den Eindruck gemacht, als würde man in einen riesigen Ballsaal eintreten, doch nun war ich fast etwas enttäuscht von der simplen Schlichtheit des Interieurs. Vielleicht lag das aber auch einfach an der Tatsache, dass ich Matt nirgends entdecken konnte. «Sag mal», setzte ich zu meiner Frage an, als ich anfing auf den Tresen an der Bar zuzugehen, «ist Matt eigentlich schon da?»

Dom war mir gefolgt und lachte erneut auf. Verwirrt blieb ich stehen und sah ihn skeptisch an, meine linke Augenbraue dabei leicht nach oben gezogen. Warum fand er eigentlich alles lustig und musste bei jeder Kleinigkeit lachen? Ich wusste ja, dass ich ein witziger Kerl sein konnte, doch das hier war ja nur eine ganz normale Frage gewesen. Die gewann sicher nicht in der Kategorie «Witz des Jahrtausends».

«Wieso wundert es mich nicht, dass du gleich als Erstes nach ihm Ausschau hältst?», stellte er mir die Gegenfrage, während er mich weiter zur Bar begleitete. Ich zuckte mit den Schultern und versuchte ihm Gleichgültigkeit zu signalisieren, doch vermutlich wäre auch jedem anderen aufgefallen, dass das zwischen Matt und mir etwas Besonderes war. Wenn auch keiner von ihnen ahnte, was genau das war. Wussten wir schließlich ja selbst nicht so richtig. Dafür hatten wir bisher eindeutig zu wenig Zeit miteinander verbracht. Eine Tatsache, an der ich gerne arbeiten wollte, doch das war nur zu zweit möglich.

«Was empfehlen Sie mir?», fragte ich mit dem Blick auf die Barkeeperin gerichtet, die mit ihren langen schwarzen Haaren und ihrem schmalen, doch ein wenig kantigen Gesicht inklusive voller roter Lippen, eine gewisse Ähnlichkeit mit Emeraude aufwies. Diese hatte ich bereits entdeckt und ihr sogar zugewunken, doch sie war so sehr vertieft in eine Unterhaltung mit einem jungen Mann südländischer Herkunft, dass sie es gar nicht mitbekam.

Die Dame vor mir überreichte mir eine Getränkekarte, welche laminiert und somit relativ biegsam war. Bevor ich sie mir jedoch genauer ansehen konnte, verschwand sie auch schon aus meinen Händen. Dom war tatsächlich so frei sie mir wegzuschnappen, um selbst einen Blick darauf zu werfen. Die Barkeeperin setzte daraufhin ein entschuldigendes Lächeln auf, ehe sie begann ein Weinglas hervorzuholen und eine dunkle, braune Flasche ohne Etikett aus dem Kühlschrank zu nehmen. Sie kippte einen Hauch davon hinein und hielt mir das Glas zum Probieren entgegen.

«Der schmeckt gar nicht so übel», bewertete ich den Weißwein wie ein ahnungsloser Weintrinker. Es kam nicht oft vor, dass ich welchen trank. Wenn dann nur zu besonderen Anlässen und da waren es meist immer solche staubtrockenen Rotweine, die eine Geschmackszerreißprobe für Zunge und Gaumen darstellte. Doch diese helle Flüssigkeit vor mir lag angenehm im Mund und floss sanft meine Kehle hinunter.

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