59 - Harry

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Für einen Moment stand ich wirklich auf dem Schlauch und wusste gar nicht, was Matt damit meinte. Schließlich hatte er das Date doch geplant und musste wissen, wie wir zu unserem Ziel gelangten. Doch als ich in Gedanken noch einmal durchging, was mich in den beiden genannten Straßen wohl erwartete, wenn ich mein Smartphone danach befragte, durchfuhr mich ein seltsamer Schauer, als die Erkenntnis wie Schuppen von meinen Augen fiel.

«Du unersättlicher, kleiner Lustmolch!», stieß ich gepresst hervor, als wir uns gerade in den Aufzug begaben, der uns hinunter in die Lobby bringen würde. Aber anstatt dass ihn das bremste, schien ich Matt damit nur noch mehr befeuert zu haben, denn jetzt kam er gar nicht mehr aus dem Lachen heraus.

«Lustmolch?», kam es prustend von seiner Seite und ich sah wie er sich vor lauter lachen die Hände vor den Bauch hielt. Es fehlte eigentlich nur noch, dass er in Tränen ausbrach.

«Wäre dir Schürzenjäger lieber? Oder Sittenstrolch? Wüstling? Schwerenöter? Mir fallen da so einige Bezeichnungen für dich ein.»

«Hey! Ich bin schließlich nicht derjenige, der nach Analdildos- »,setzte er an, hielt jedoch sofort inne, als die Tür des Aufzugs aufging und uns ein Familienvater mit seinen beiden Kleinkindern gegenüberstand. Geschockt sah uns der junge Mann, der wohl maximal ein paar Jahre älter als wir selbst waren, an und machte uns beiden umgehend Platz.

Mit eingefrorenen Mienen liefen wir schnurstracks Richtung Ausgang, bis wir die beiden großen Eingangstüren passierten und einen Augenblick lang stehen blieben. Matt schaute mich ziemlich verstört an, was ich im ersten Moment jedoch gar nicht so richtig mitbekam. In der Annahme, dass er sich ebenfalls köstlich über die soeben mehr als nur peinliche Situation amüsierte, verfiel ich sofort in schallendes Gelächter.

«Gut, dass ich nur noch eine Nacht in dem Hotel verbringe. Ein paar Tage länger und man würde mich ernsthaft wegen diverser Anzüglichkeiten noch rauswerfen", kicherte ich belustigt und räusperte mich, während ich versuchte meine Gesichtszüge wieder halbwegs unter Kontrolle zu bringen. «Und es wäre ganz allein deine Schuld!»

«Meine Schuld?», wiederholte Matt verblüfft, obwohl er genau wusste, dass es die Wahrheit war.

«Natürlich», entgegnete ich mit vehementem Nicken.

Ich erinnerte ihn vage an die Szene vor etwas mehr als zwei Stunden, bei denen es dazu gekommen war, dass ich halbnackt auf dem Hotelflur stand und seinen Namen gerufen hatte. Doch anstatt, dass Matt das als Beispiel für seinen schlechten Einfluss auf mich nahm, verschlug es ihm für einen Moment die Sprache. Ich merkte, wie eindringlich er mich musterte und seine Pupillen sich schlagartig weiteten, so als wäre er schon wieder am abdriften und zwar in eine Richtung, die nur ein Ziel kannte: meine erwartungsvollen Lippen.

«Starrst du mich jetzt einfach nur an oder traust du dich auch irgendwann einmal noch mich zu küssen?», fragte ich ihn mit absichtlich belegter Stimme und versuchte dabei so verführerisch zu klingen, wie ich nur konnte. Es war plötzlich wieder so, als ob wir in unserer eigenen kleinen Welt gefangen waren, in der wir alles um uns herum ausblenden und ignorieren konnten und lediglich den jeweils anderen vor Augen hatten.

Matts Blick huschte vorsichtshalber noch einmal kurz nach rechts und links, um auch ja auf Nummer sicher zu gehen, dass uns niemand beobachtete, der uns vielleicht kannte. Als er erleichtert aufatmete, schlich sich ein Grinsen auf mein Gesicht und ich warf mich ihm förmlich entgegen. Unsere Lippen waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt und ich konnte es kaum abwarten, sie wieder auf meinen zu spüren.

Bedachtsam legte Matt seine Hände an meinen Hals und fuhr zärtlich über mein Gesicht. Mit seinen Daumen streifte er sanft über meine erhitzten Wangenknochen und blickte mir währenddessen unentwegt in die Augen. Sekunden später erlöste er mich endlich und besiegelte den knisternden Augenblick mit einem gefühlvollen, innigen Kuss. Ganz dezent und nur merklich spürbar presste er seinen Mund immer wieder auf meinen, als wäre ich ein zerbrechliches Wesen, das man mit Samthandschuhen anfassen musste. Trotz dass sie in enormen Kontrast zu den vielzähligen Küssen davor standen, empfand ich sie als nicht weniger wertvoll. Vielmehr zeigte es mir, wie rücksichtsvoll Matt mit allem umging und mir somit das sichere Gefühl verlieh, dass das was wir hier taten, alles andere als falsch war.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt