57 - Harry

113 10 3
                                    

Nachdem sich Matt dieses Mal ausgiebig und in bestmöglicher Art und Weise von mir verabschiedet hatte, ging ich mit einem Dauergrinsen unter die Dusche und wusch mir auch das letzte bisschen Sex von der Haut, dass Matt so gerne an mir roch. Es war verrückt, wie sehr wir uns bereits aneinander gewöhnt hatten und trotz all der Umstände und unnötigen Streitereien, immer wieder in den Armen – oder auf dem Schoß – des jeweils anderen landeten.

Einerseits fühlte es sich immer noch so unwirklich an wenn ich daran zurückdachte, wie das alles mit uns begonnen hatte. Noch vor kurzem war ich glücklich mit dem was ich hatte und hätte es nie für möglich gehalten, dass mich das Leben noch einmal so dermaßen überraschte. Doch Matt hatte es von Anfang an geschafft mich umzuhauen und mich knall auf Fall von ihm abhängig zu machen, ohne dass er selbst den blassesten Schimmer hatte, wie er das anstellte. Aber es war uns beiden völlig egal wie das Wir zustande kam, Hauptsache es gab überhaupt so etwas wie ein Wir.

Natürlich war bei weitem nicht alles so rosig, wie es sich auf den ersten Blick anfühlte. Wir hatten bisher kaum Zeit gehabt uns einander wirklich kennenzulernen, was auch diese ständige Auf und Abs erklärte, die uns schwer zu schaffen machten. Es gab noch so viele unausgesprochene Dinge zwischen uns, doch ich war zuversichtlich, dass dieser Abend der erste Schritt werden würde, um das Wir zu festigen. Die Anziehung, die Lust und die Neugier auf dieses neue Abenteuer war auf beiden Seiten vorhanden und wenn wir gemeinsam bereit waren es ernst zu nehmen, dann würden wir vielleicht eine bisher nie da gewesene Erfahrung machen.

Mir war bewusst, wie risikobehaftet das war, was wir versuchten zu erkunden. Ich wollte es dennoch nicht als Experiment abtun, denn dafür war es mir bereits jetzt schon viel zu wichtig. Und Matt ging es ebenso, das wusste ich. Er hatte mit seiner Freundin bereits Schluss gemacht und das obwohl er jahrelang glücklich mit ihr gewesen war. Nun war es an der Zeit, dass auch ich aus meiner Komfortzone ausbrach und ins kalte Wasser sprang. Ich musste definitiv mit Shelby reden und ihr die Wahrheit erzählen, alles andere wäre Matt gegenüber nicht fair. Wenn ich wirklich wollte, dass das zwischen uns funktionierte, dann blieb mir keine andere Wahl, als die Hochzeit abzusagen. Eine Hochzeit, die ich vor wenigen Wochen noch kaum abwarten konnte, weil ich mir sicher war, die Liebe meines Lebens gefunden zu haben.

Matt hatte jedoch etwas in mir geweckt, Gefühle und Wünsche ausgelöst, die ich bis dato nicht kannte und nicht wusste, dass ich sie brauchte. Es war nicht nur der Sex – wobei wir technisch gesehen noch nicht wirklich miteinander geschlafen hatten – sondern vielmehr seine ganze Ausstrahlung und das Gefühl, das er mir damit gab, mich auch mal fallen lassen zu können. Es war etwas vollkommen anderes bei ihm zu sein, als wenn ich mit Shelby zusammen war. Oder jeder Frau vor ihr.

In einer Beziehung zwischen Mann und Frau gab es immer noch gewisse festgefrorene Muster, die sich zwar deutlich lockerten, aber dennoch irgendwo allgegenwärtig waren. Nur mit Matt in meiner Nähe, fühlte es sich so anders an. Besser. Auch wenn er es nicht wusste, schenkte er mir allein mit seiner bloßen Anwesenheit so unglaublich viel Kraft, dass ich es jedes Mal aufs Neue kaum mehr abwarten konnte, ihn wiederzusehen.

Umso freudiger sprang ich aus der Dusche und trocknete mich schnellstmöglich ab, damit ich auch ja zum Gehen bereit war, wenn Matt hier auftauchte. Ich würde lügen wenn ich sagte, dass ich mir keine Gedanken um die kommenden Stunden machte. Hier in Toronto gab es so viele Möglichkeiten ein Date zu verbringen und ich war sehr gespannt, was Matt für mich geplant hatte. Obwohl es mir so gesehen auch eigentlich fast egal war, wohin wir gingen. Hauptsache wir hatten Zeit für uns und konnten in Ruhe über all das reden, was seit unserer ersten Begegnung zwischen uns stand.

Außerdem wollte ich alles über ihn wissen. Was ihn antrieb, ihn beschäftigte, ihn inspirierte. Was für Hobbys und Interessen er hatte. Ob er lieber auf der linken oder der rechten Seite des Bettes schlief und ob er seine Socken nachts auszog oder anließ. Egal wie unwichtig diese kleinen Dinge des Lebens für manche waren, mir kam es plötzlich so unabdingbar vor sie zu erfahren.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt