Böses Erwachen

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Ein immer lauter werdendes Klopfen brachte mich zurück zur Besinnung. Mein Schädel dröhnte, spüren konnte ich nichts. Meine Augen waren nicht funktionsfähig, genauso wie der Rest von mir. Ich fühlte mich, als wäre ich eine lebendige Leiche. Ein Zombie.


Doch so kaputt ich auch war, das Klopfen blieb. Zuerst dachte ich, es seien meine Kopfschmerzen, doch bei genauem hinhören bemerkte ich, dass dies nicht der Fall war.


Erneut ein dumpfer Schlag. Und dann noch einer, und noch einer... Es hörte nicht auf.
Plötzlich wurde es so laut, dass meine Ohren zu schmerzen begannen.
Nachdem sie sich allerdings beruhigt hatten, vernahm ich leise Stimmen.
„Oh mein Gott."
„Da sind sie."
„Juna?"
Die Stimme kam näher.
„Juna, hörst du mich?"
Ich wollte antworten, doch ich konnte nicht. Meine Gliedmaßen fühlten sich zu taub an. Ich versuchte mit den Fingern zu zucken, doch ich konnte nicht sagen, ob mein Vorhaben funktionierte.


Etwas Warmes berührte mein Gesicht, welches sofort zu Kribbeln begann. Nun spürte ich die Taubheit mehr denn je.
„Wir müssen sie schnell nach Hause bringen."
Mehr hörte ich nicht, da meine Gedanken wieder im Nebel versanken.


Erneut wurde ich wach. Mein Schädel dröhnte noch immer. Meine Augen, die ich nur langsam öffnen konnte, brannten durch die Helligkeit und fühlten sich unglaublich schwer an.
„Endlich bist du wach."
Sofort erkannte ich die Stimme, die ich hörte. Es war kein anderer als Chase. Und auch wenn mein Körper sich ziemlich steif anfühlte, so konnte ich mir ein leichtes lächeln nicht verkneifen.
In Decken gehüllt lag ich da, in einem Bett. Es musste das Zimmer der Mädchen gewesen sein, denn das der Jungs kannte ich nur zu gut. Das hier hingegen war mir recht Fremd gewesen.
Noch etwas neben der Spur schaute ich umher. Chase und Mr Davenport standen an dem weißen Bett, in dem ich lag und betrachteten mich.
Meine Augen fühlten sich nach wie vor schwer an, doch ich versuchte mich zusammen zu reißen und sie offen zu halten. Ich war lange genug weggetreten, wie lange das auch sein mochte.


„Wie geht es dir?", erhob Donald das Wort nach einer gefühlten Ewigkeit, in der Stille herrschte.
Kurz überlegte ich, ehe ich antwortete: „Gut, denke ich."
Dafür, dass ich wohl beinahe an Unterkühlung gestorben wäre, ging es mir tatsächlich recht gut. Vielleicht war es gar nicht so schlimm gewesen.


„Du solltest vielleicht trotzdem einen Arzt aufsuchen."
Ich schaute zu Davenport und nickte nur kurz. Ich kannte mich, ich würde sowieso zu keinem Arzt gehen. Das tat ich nie.


Der plötzliche Alarm im Haus ließ mich zusammenzucken.
Chase schaute seinen Vater an. Dieser deutete mit einem Blick und einer Geste, dass er gehen sollte.
Chase kam zu mir, drückte mir einen Kuss auf die Stirn und flüsterte ein: „Ruh dich aus."
Nach einem leichten Lächeln meinerseits verließ er den Raum.


Da ich nun alleine mit Mr Davenport war, ging meine gesamte Aufmerksamkeit zu ihm.
„Bevor du fragst, Kaz geht es gut. Durch seine Feuerkräfte hat er sich ziemlich schnell erholt, aber..."
Er stockte. Sofort bekam ich ein ungutes Gefühl.
„Aber?", wollte ich mit noch kratziger Stimme wissen.
„Nun, es geht um deinen Großvater. Er hat es nicht überlebt."
Meine Augen wurden riesig, als ich das hörte.
„Sie haben ihn umgebracht?"
Er schüttelte den Kopf.
„Er ist an einem Herzinfarkt gestorben. Das Ganze war wohl zu viel für ihn gewesen."
Geschockt schaute ich Donald an. Meine Hände krallten sich in die blaue Decke, in die ich gewickelt war.


Mein Opa war tot. Einfach weg.
Ich meine, ich kannte ihn erst seit einem Jahr und ich musste zugeben, dass auch nicht besonders gut. Ich hatte die meiste Zeit hier bei den Nachbarn verbracht. Aber auch er hatte viel an seinen Projekten gearbeitet.
Und nun war ich einfach so alleine. Schon wieder.
Es erinnerte mich an den Tag, als meine Mutter gestorben war. Dieser Autounfall, den sie hatte. Mein ganzes Leben war auf einmal aus den Fugen geraten. Ich hatte kein Zuhause mehr, da ich die Wohnung, in der wir lebten, nicht bezahlen konnte. Ich war noch in der Schule gewesen, wollte mich weiterbilden und hatte keinen Job. Daher musste ich ausziehen.
Und da mein Vater in den letzten zwei Jahren keine Hilfe gewesen war, war ich kurzerhand obdachlos.
Meine einzige Chance war zu meinem Großvater zu ziehen, von dem ich noch nie viel gehört hatte. Direkt in eine fremde Stadt. Keinen Job, keine Freunde, keine Bekannten.
Ich fühlte mich wirklich hilflos, und nun war ich erneut in dieser Situation.


„Ist alles okay?", wurde ich aus meinen Gedanken zurück in die Wirklichkeit geholt.
Mein Blick war noch immer starr auf Davenport gerichtet. Ich antwortete nicht und nickte nur. Ich fühlte mich nicht gerade wohl dabei, meine innersten Gedanken mit ihm zu teilen. Zwar kannten wir uns mittlerweile recht gut, doch er war der Vater meines Freundes und mein Arbeitgeber. Wenn man das überhaupt so nennen konnte.


„Ich... würde jetzt gerne nach Hause gehen."
Verständnisvoll nickte er.
„Wenn etwas ist, kannst du jederzeit anrufen."
Erneut nicke ich nur, schlug die Decke von meinen Beinen und stand auf. Sofort bemerkte ich, dass meine beine noch recht wackelig waren, doch ich wollte gerade nur noch nach Hause.


Ohne mich großartig zu verabschieden, schlurfte ich in die gegenüberliegende Wohnung, direkt in mein Bett und kuschelte mich darin ein.
Ich wollte gerade nur in meinem Zimmer sein, denn der Gedanke, dass der Rest dieser großen Wohnung leer und verlassen sein würde, bereitete mir komische Gefühle.


Eine halbe Ewigkeit saß ich da und starrte an die weißen Wände, versunken in sämtliche Gedanken, als ich ein klopfen hörte.
Ich erschrak ziemlich und musste erst einmal ruhig durchatmen.
Ich schaute zu meiner Zimmertür, doch daher kam das Klopfen nicht.
Vor meinem Fenster schwebte eine Silhouette in der untergehenden Sonne. Vorsichtig rutschte ich von meinem Bett, um das große Fenster zu öffnen. Kaz kletterte sofort hinein und lächelte mich mitleidig an.


„Ich wollte nach dir sehen."
Ich lächelte nur kurz, machte kehrt, zurück auf mein Bett.
Langsam kam er auf mich zu und setzte sich neben mich. Ich bemerkte seine Unsicherheit sofort. Sie war auch kaum zu übersehen.


Kurz herrschte Stille, während wir Beide den Blick auf den Boden gerichtet hatten.
„Chase wird später vorbeikommen. Er ist noch unterwegs", begann er.
Dabei klang er, als wüsste er selbst nicht so genau, was er sagen sollte. Das war nicht sonderlich neu für mich. Ich wusste bereits, dass Kaz in solchen Situationen nicht besonders Taktvoll war.


„Geht es dir denn gut?", versuchte ich ein Gespräch aufzubauen.
Immer noch diese Unsicherheit ausstrahlend, lächelte er ganz leicht und schaute zu mir auf.
„Ja, ich bin prima verheilt. Aber ich mache mir mehr Sorgen um dich."
„Das musst du nicht."
Meine Stimme war nur ein leises murmeln. Ich hatte in den letzten Monaten mit meinen Gefühlen in Kaz Nähe zu kämpfen und wusste nicht recht, wie ich mit ihm umgehen sollte. Doch seit gestern... Es wurde alles nur schlimmer.


„Juna, wegen dem Kuss. Bitte vergiss was passiert ist."
Und dann überkam es mich. Alles was sich aufgestaut hatte.
Die ersten Tränen bahnten sich den Weg über meine Wangen.
„Wieso passiert mir das alles?"
Schnell wischte ich mir über die Augen, die mittlerweile ganz feucht waren.
Ich hob meinen Kopf und schaute zu ihm.
„Ich habe das alles nicht gewollt. Das mit dir und Chase. Diese Heldengeschichte. Hier Leben... Nachdem ich euch kennen gelernt habe, dachte ich, es würde alles besser werden. Aber jetzt fühlt sich mein Leben an wie ein Desaster. Alles was ich mache, mache ich falsch. Ich wollte doch nur ein glückliches Leben mit einer Familie haben."


Während weiter Tränen von meinem Gesicht kullerten, sah ich, wie meine Hand von seiner genommen und gedrückt wurde.
„Und das kannst du immer noch."
Mit der freien Hand hob er meinen Kopf so, dass er die Tränen sanft mit seinem Daumen wegwischen konnte.
„Ich bin mir sicher, dass du eines Tages Chase heiraten und eine Familie gründen wirst. Und das nicht nur, weil du seine einzige Option sein wirst."
Ein kleines Schmunzeln ließ er sich nicht nehmen, bevor er weitersprach: „Und ich werde dich, als dein bester Freund, dabei unterstützen."
Seine Worte überraschten mich. Schließlich war der die meiste Zeit ziemlich selbstsüchtig, gerade was sein eigenes Glück anging. Das war tatsächlich eine Seite, die nicht so oft zum Vorschein kam.


„Solange du mich bei dir haben willst, bin ich das. Egal, welche Rolle ich dabei einnehme. Das entscheidest du."
Manchmal überraschte mich dieser Mann einfach nur.
Ich zog ihn zu mir und kuschelte mich in seine Arme, welche er direkt um mich legte.
Meine Augen schloss ich und genoss die Ruhe, die herrschte.
Ich war zwar gern in seinen Armen eingeschlossen, doch ich vermisste auch Chase. Wie gern hätte ich ihn jetzt hier gehabt. Am liebsten alle Beide. Wenn es denn nur eine einfache Lösung geben könnte.

Zwischen Bionic und SuperkräftenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt