92.Kapitel

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Erschöpft lehte er sich in seinen grauen Sessel. Da er noch seinen Anzug trug, ging ich davon aus, das er gerade von einem Meeting kam.
Bevor er begann zu reden, atmete er pustend aus und lockerte mit einer Hand seine Krawatte.
"Ist es so anstrengend?", fragte ich besorgt und verfolgte die Schweißperle, die ihm die Schläfe herunter lief.
"Ja.", keuchte er.
"Heilige...Pray, kann ich mir kurz etwas zu trinken holen?"
Er bat mich wirklich dazu? Wenn es ihm so schlecht ging, sollte er gar nicht mit mir Facetimen, sondern sich hinlegen, duschen oder essen.
"Klar, natürlich.", versicherte ich ihm.
Ich hörte, wie der Wasserstrahl aus dem Wasserhahn auf das Belch der Spüle sprudelte.
Kurz darauf kam Dylan wieder in den Bildschirm.
Er nahm einen langen Schluck und leckte sich über die Lippen:"Ich weiß auch garnicht, wie ich diese Scheiße mache. Wenn ich bei dir bin, habe ich alles. Da brauche ich kein Geld."
Ich biss mir auf die Wange.
Ja, was ist schon Geld?
Leider die ganze Welt.
Aber das sagte ich Dylan nicht.
Ich hätte es nie übers Herz gebracht.
"Wir kommen da durch.", versprach ich ihm mit verkreuzten Finger.
Ich war mir nicht so sicher, ob wir das kamen.

"Wie lange bist du schon unterwegs?", ich wollte endlich wissen, wie lange ich noch alleine aushalten muss.
"2 Monate."
Autsch.
Wow, es hat sich wie 2 Jahre angefühlt.
"He?", wisperte Dylan mich an:"Alles was ich machen möchte, ist nach Hause zu fahren zu dir, okay? Und das bleibt auch so, bis ich da bin."
Das gab mir ein wenig Kraft. Ich starrte auf meine Finger. Dylan hatte gesehen, wie ich sie lößte.
Daher dieser Satz, oder wie?

Als er redete, wie schrecklich es in dem Hotel aussah, verdrehte ich innerlich bloß die Augen.
Egal wo du bist, ich will dort sein, verdammt.

Es nervt, sich wie ein Bündel Nichts zu fühlen. Jeden Morgen so aufzustehen, als hätte man die ganze Nacht durchgemacht, jeden Abend so ins Bett zu gehen, als wäre ein enges Familienmitglied gestorben.
Und Gedanken. Gedanken wie ein Monsun wirbelten durch meinen Kopf, egal welche Uhrzeit.

Jedes Mal wenn wir Facetimeten erzählte mir Dylan süße, romantische Dinge, die mich zwar berührte aber nicht bewegten. Er soll es mir im echtem Leben sagen. In Fleisch und Blut vor mir.
Wann würde er das endlich wieder tun können?
Ich habe keine Lust mehr.
Keine Lust mehr auf das Leben.
Mein Leben.

Am Nachmittag schmiss ich alle möglichen Klamotten aus dem Kleiderschrank, mit der Begründung, dass sie mich an Dylan erinnern.
Dann fiel mir ein, dass das Quatsch ist. Ich bin in seinem Haus, na gut, unser Haus, und alle seine Sachen liegen hier rum.
"Dann sind eben die Möbel dran.", polterte ich durch das Haus.
Ich schob das Sofa um, das Bett, den Tisch, alles was ich tragen konnte.
Am Ende, als ich fertig war, klatschte ich in die Hände:"Das wäre geschafft.", ich grinste.
Dann sank mein Mundwinkel, als ich durch die Zimmer strich. Es sah schrecklich aus. Als hätte man das Haus nicht eingerichtet, sondern einfach alles erstmal mitten in die Räume stellen lassen hat.
Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
Früher war ich ziemlich gut im Einrichten. Jetzt anscheinend nicht mehr.
Ich kriege wirklich nichts mehr auf die Reihe.
Doch ich war viel zu kaputt, um alles zurück zu schieben.
Ich legte mich ins schräg stehende Bett und schmiss ein Kissen an die Wand. Es traf ein Bild, welches herunter fiel.
Laut stöhnte ich auf:"Echt jetzt? Komm schon.", verzweifelt warf ich meine Hände in die Luft und ließ sie wieder auf die Bettdecke fallen.

Ich wachte auf, doch hatte keine Drang aufzustehen. Ich bleibe heute ganz im Bett. Nichts werde ich machen. Nichts essen, nichts trinken.
Soll ich doch verrecken.
Ich erhaschte einen Blick in den Spiegel, der vor dem Bett stand.
Gott, sehe ich grauenhaft aus.
Augenringe bis nach Mexico und meine Haare mit Knoten und Spliss.
Eine rote Nase und ein kratzer längs über die Stirn, geziert von einer Bäule. Vor ein paar Tagen ist mir ein Kochtopf auf den Kopf gefallen, aus dem Küchenschrank heraus.
Ich griff nach der Handcreme auf dem Nachtisch und schmierte mir etwas auf die Hände.
Ich strampelte meine Decke zornig weg und trat die Matratze.
"Das ist so scheiße!", schrie ich.

No normal Badboy!  #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt