Nun und so musste ich mich zum zweiten Mal von Dylan verarzten lassen. Ich hatte an meinen Armen und Beinen Verbände und meinen Kopf hatte er vorsichtig auf ein Kissen gebettet. Ich lag erschöpft auf dem Sofa und Dylan desinfizierte gerade meine Hand. Es brannte, doch ich war zu kaputt, um aufzurufen.
Mit Leichtigkeit hatte er mich hoch getragen, aber es dauerte, weil er ziemlich langsam gegangen ist, dass es mir auch nicht weh tut. Ich habe alles nicht wirklich mitbekommen.
Deshalb wühlte ich wie eine Irre mit meiner letzten Kraft in meinem Kopf herum, um mich zu erinnern.
Meine Augen schloss ich schlapp und fragte mich, wie viele Narben ich wohl schon bekommen habe, seit ich hier wohne.
Mein Atem ging langsam, doch ab und zu musste ich tief Luft holen, weil ich eigentlich schnell atmen müsste, wegen Dylan. Kann ich aber nicht, weil ich zu kaputt bin. Also muss mein Körper "improvisieren" und den Druck irgendwie ablassen.Was hab ich mir auch nur dabei gedacht? Da will ich einmal selbstbewusst rüber kommen und verletzt mich komplett.
Liegt vielleicht daran, dass ich nie selbstbewusst sein werde und noch nie Skateboard fahren konnte.Plötzlich spürte ich unter all dem Schmerz und Brennen des Desinfiktionsmittels, eine weiche, streichelnde Berührung. Irritiert öffne ich die Augen.
Dylan saß vor mir auf dem Boden und hatte seine Hand zu mir ausgestreckt. Mit einem Finger dieser Hand, strich er über meine Wange.
Sein Finger war unglaublich weich und hinterließ erstaunlicher Weise, keine Brennspur. Eher eine ruhige, warme Spur. Seine Bewegung ließ mich noch müder werden. Er hörte auf seinen Finger zu bewegen, als ich die kurz die Augen schloss:"Tut das weh?". Wenn ich ehrlich bin, dann hatte er ein kleinen sorglichen Unterton in der Stimme.
Leicht schüttelte ich den Kopf. Ich glaube, meine Stimme ist eh weg. Und die Kraft und den Mut habe ich auch nicht.Meine Augenlider wurden immer schwerer, als ob jemand Hanteln an meine Wimpern gehängt hätte. Ich gab der Müdigkeit nach und schlief sofort ein.
Mitten im Schlaf wurde die dunkle Wand meiner Augen plötzlich hell und ein Bild erschien.
Ich blieb ruhig liegeh, mit geschlossenen Augen.
Warscheinlich ein Traum.
Die Gegend kommt mir bekannt vor. Dann sehe ich ein Mädchen, welches rastant mit einem Skateboard, die Straße runter fährt. Hinter ihr fährt ein gut gebauter Junge mit panischem Gesichtsausdruck.
Sie fällt und rollt auf der Straße ab. Der Junge läuft zu ihr und endlich höre ich etwas:"Scheiße, Babe alles okay?".Meine Augen schlugen sich auf.
Er hatte Angst um mich. Mal wieder. Aber diesmal richtig.
Und er hat mich Babe genannt. Erst Baby und dann Babe. Das ist... soll ich mich jetzt wie eine Schlampe fühlen? Oder war das liebevoll gemeint?
Ich zweifelte nicht daran, dass der Traum nicht der Wahrheit entsprach. Plötzlich kamen alle Erinnerungen hoch von gestern. Ich konnte mich an alles erinnern. Wäre auch komisch wenn nicht, denn den Kopf hatte ich mir nicht gestoßen. Nach einer bestimmten Zeit hätte ich mich, so oder so erinnert.
Mein Fluchtwahn meldete sich.
Ich war nicht mehr Im Wohnzimmer!
Ich sog den Geruch des Zimmers auf und stellte fest, dass es aber immer noch nach Dylan roch. Und nach Ikea.
Sofort sank ich wieder tiefer. Wieso ist das Sofa auf einmal so weich?
Vielleicht weil du nicht mehr auf einem Sofa liegst, du Dumpfbacke?
Aha! Meine innere Stimme lebt also doch noch.
Aber es stimmte. Ich lag nicht mehr auf dem Sofa. Dylan hatte mich wohl in sein Zimmer getragen. Aber wo war er? Es roch so stark nach ihm und ich fühlte mich nicht alleine.
Vorsichtig setzte ich mich auf, bedacht dass ich mir nicht weh tu. Auf dem Boden nebem dem Bett lagen ein paar Klamotten und ein großes, Atem ausstoßendes Ding!
Hat Dylan einen Hund?
Ihh, nein so große Hunde gibt es nicht.
Und Hunde haben Haare. Normalerweise.
Als ich mich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, schaute ich genauer.
Es war Dylan.
Dylan lag auf dem hartem Boden und schlief. Sein Körper ging auf und ab durch seinen gleichmäßigen Atem.
Wieso um alles in der Welt schläft er auf dem Boden? Er hat nicht Mal seine normalen Klamotten ausgezogen.
Ich stand auf und ging näher auf ihn zu. Selstam, ich hatte fast keine Schmerzen. Dylan wird bestimmt später mal Arzt.
Ich setzte mich im Schneidersitz neben Dylan. Frech pikste ich ihn. Keine Reaktion. Ich zog an seinem Ohrläppchen. Auch keine Reaktion.
"Hey, du Faulpelz! Aufwachen!", flüsterte ich direkt neben seinem Ohr.
Wenn er schlief, sah er gar nicht so unfreundlich und arrogant aus.
Er regte sich. Er streckte seine Arme und taste nach mir. Als er mich fand, schlung er seinen Arm um meinen Bauch und zog mich näher. Seine Augen ließ er dabei geschlossen.
"Au, au Dylan. Dylan meine Wunden!", rief ich.
Erschrocken riss er die Augen auf und ließ mich los.
Ich stand grinsend auf. Mir tat nichts weh, aber wenn er denkt, dass er mir weh tut, steht er wohl auf.
Er bemerkte wie ich mir einen Lachanfall verkniff und knurrte vom Boden aus, mit seiner göttlichen Morgenstimme:"Kleine! Man verarscht mich nicht einfach so!"
Bevor ich wegfloss, hielt ich mich am Türrahmen fest:"Hast du mich doch auch. Du warst schon wach!"
Kurz überlegte er und stand dann auf. Jetzt fühlte ich mich wieder klein und ängstlich.
Wie ein Irrer riss er die Arme hoch und rannte an mir vorbei, aus dem Zimmer:"Frrrrrrrrühstück!", brüllte er. Ich sank vor Lachen auf den Boden, doch stand eilig auf, als ich sah, dass er es ernst meinte und nach unten ging, um Essen zu machen.
Stimmt, bei Essen hört der Spaß auf. Ich meine es ist ESSEN!Am Esstisch stellte ich mit Freude fest, dass er Fluff hatte. Ich wollte mir ja eigentlich, welches im Supermarkt kaufen, aber da musste Dylan so ein Choas machen.
Grinsend nahm ich die Dose und strich etwas auf mein Toast.
Dylan sah genau zu, wie ich hinein biss. Er nahm die Fluff Packung in die Hand und sah sie sich an:"Davon warst du so begeistert? Ich mein ehrlich, du sitzt hier mit mir, frühstückst und freust dich immer noch mehr über Fluff, als über mich.", Kopf schüttelnd stellte er die Packung zurück.
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