Kapitel 16

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Lova hatte ein Talent dafür, Menschen die Nase zu brechen – sofern man bei dieser Qualität von einem Talent sprechen konnte. Sie hatte es bisher dreimal getan, und jedes Mal hatte es sie mit Genugtuung erfüllt. Zuerst hatte es Viggo getroffen, als sie ihn noch aus tiefstem Herzen gehasst hatte. Im Nachhinein tat es Lova leid, ganz im Gegensatz zu ihrem zweiten Opfer. Krogan würde sie diese Schmerzen wieder und wieder gönnen.

Bei Dagur war die Situation ein wenig... komplizierter. Als das Blut über ihre Hände strömte, hatte Lova mit einer Panikattacke gerechnet, doch das Adrenalin hielt ihre Gedanken fokussiert. Das war nur gut so, denn sonst hätte Dagur ihr einen gut gezielten, linken Haken verpassen können, der sie außer Gefecht gesetzt hätte.

Lova duckte sich unter seinem Schlag hinweg und wischte das Blut an ihrer Hose ab. Die Verbände über ihren Fingerknöcheln färbten sich bereits Rot.

„Noch kannst du aufgeben", sagte Lova, hoffte aber auf eine gegenteilige Antwort.

Und sie wurde nicht enttäuscht.

Dagur keuchte und betastete seine verformte Nase. „Niemals."

Ein breites Grinsen schlich sich auf Lovas Lippen, entblößte ihre Zähne und erreichte ihre Augen als wahnwitziges Funkeln. „Gut", gab sie zurück, während sie sich umkreisten. „Ich hatte schon befürchtet, du wärst nicht nur ein Bastard, sondern auch ein Feigling."

Dagurs Wutschrei hallte durch die Arena, als er vorpreschte und die Fäuste schwang. Er hatte keine ersichtliche Taktik, doch er war schnell und sein Zorn machte ihn stärker. Ein Schlag gegen die Brust ließ Lova zusammenzucken, bei einem weiteren gegen das Kinn spürte sie, wie Blut über ihre Lippen rann. Lova riss die Arme in die Höhe, um einem zweiten Kinnhaken zu entkommen, doch Dagurs Tritt konnte sie nicht ausweichen. Sein Stiefel traf ihren Unterleib und Lova schrie vor Schmerzen, als sie auf die Knie sank.

Dagurs Schläge stoppten, er lachte und lachte und lachte, und zwischen seinem Gelächter stieß er hervor: „Habe ich... etwa... gewonnen?"

Der Wind zerrte an Lovas Haar, der schwere Geruch von nahendem Regen lag in der Luft. Lova sog ihn tief in ihre Lungen, konzentrierte sich auf die Sturmwolken über ihrem Kopf und schob den Schmerz in eine weit entfernte Ecke ihres Verstandes.

„Ich..." Sie musste husten, Blutspritzer verteilten sich auf den schwarzen Steinen. Lova hatte Recht behalten; man konnte sie nicht erkennen. „Um zu gewinnen, wirst du mich töten müssen", zischte sie und erhob sich schwankend. „Denn ich werde nicht aufgeben."

Dagurs Gelächter wurde lauter, als sein Blick auf sie fiel. „Du willst gegen das Oberhaupt der Berserker gewinnen?", fragte er herablassend. „Gegen mich? Keine Chance, Kleine."

Entschlossenheit legte sich wie eine Decke aus Eis um Lovas Schultern, ihr Grinsen kehrte zurück, als sie sich das Blut vom Gesicht wischte. „Klär mich auf, Häuptling", sagte sie, indem sie Dagurs spöttischen Tonfall nachahmte. „Welche Strafe steht auf eine Lüge?"

Damit holte sie aus und landete einen Treffer gegen seinen Hals. Dagur hatte zwar sein Gesicht aus der Gefahrenzone bringen können, doch für seine Kehle war es zu spät gewesen. Würgend beugte sich der Mann nach vorn und rang nach Luft, während Lova näher kam. Genugtuung reichte nicht aus, um zu beschreiben, was sie empfand. Als sie Drago gegenübergestanden oder Ryker mit glühenden Kohlen überschüttet hatte, waren ihre Gefühle ähnlich gewesen.

Rache schmeckte so himmlisch süß auf ihrer Zunge.

„Du hast meine Heimat zerstört", knurrte Lova, als sie seinen Arm und seine Schulter packte. „Du hättest mich zurück ins Feuer gestoßen, wenn ich nicht nach deinen Wünschen gespielt hätte wie eine süße, kleine Puppe." Wut loderte wie Flammen in ihrem Kopf und Lova stieß Dagur zu Boden, während dieser noch hilflos nach Luft rang. „Du hast mich angesehen wie ein Spielzeug, solange ich spannend für dich war." Sie presste den Unterarm gegen Dagurs Kehle und schob ihren Oberkörper über seinen, damit ihr Gewicht ihn auf dem Boden hielt. „Ich habe dein Lachen nicht vergessen, als du mich eingesperrt hast." Lova hielt mit ihrer freien Hand Dagurs Arme still und sah zu, wie er versuchte, zu Atem zu kommen. „Ich sollte Küchenmädchen spielen", sagte Lova und spuckte neben ihm auf die Steine. „Würdest du mich jetzt nochmal in der Nähe von Messern lassen, ich würde dir die Kehle durchschneiden." Um ihre Worte zu unterstreichen, schnürte Lova ihm die Luft ab. „Und du hast noch die Nerven, über Viggos Leben entscheiden zu wollen. Du bist erbärmlich, Dagur."

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