Kapitel 11

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 Viggo schob seinen letzten Jäger über das Spielbrett, um Lovas Häuptling zu schlagen. „Und damit", sagte er, begleitet von seinem typischen Lächeln, „Habe ich bewiesen, dass dein letzter Sieg ein reiner Glücksfall war, bestenfalls begründet durch eine vorübergehend ausgesetzte Zurechnungsfähigkeit meinerseits."

„Du hast lediglich deinen Hochmut bewiesen", gab Lova zurück und griff nach ihrem Becher. Ein letzter Rest hongigelber Flüssigkeit schwappte gegen das Holz, als sie den Kopf in den Nacken legte und den Met leerte. Schon beim Trinken konnte sie spüren, wie der Alkohol seine Wirkung entfaltete und ihre Haltung auflockerte. Sie war nicht betrunken, aber das süße Brennen in ihrer Kehle reichte, um ihre Müdigkeit zu vertreiben. „Außerdem ist es kein ruhmreicher Sieg, wenn deine Gegenspieler im Halbschlaf sind."

„Halbschlaf?", wiederholte Viggo, seine Brauen wanderten in die Höhe, „Dafür siehst du ziemlich wach aus, Liebste."

„Nicht mehr lange." Ihre Knochen knackten, als Lova ihre steifen Glieder streckte. Das erzwungene Gespräch mit Dagur hatte ihr mehr Kraft gekostet, als es für einen einzigen Tag zuträglich war. „Denn wenn du mir eine weitere Rede über deine Spielkünste halten willst, brauche ich noch einen Becher Met."

Viggo musterte sie eindeutig amüsiert, während er die geschnitzten Figuren wieder auf dem Spielbrett anordnete. Mittlerweile konnte er das, ohne hinzusehen, und stattdessen lagen seine Augen gänzlich auf Louvisa. „Und ich dachte, du hörst mir gern zu, wenn ich rede."

„Tue ich auch." Lova stützte den Kopf in die Hände und entgegnete seinen Blick, ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen. „An jedem anderen Tag höre ich dir zu, bis die Sonne aufgeht, aber heute habe ich keinerlei Nerven für lange Gespräche." Sie rieb sich die Schläfen. Zuerst hatte der Met ihre Kopfschmerzen abgeschwächt, doch nach einem ganzen Becher wurde das Pochen hinter ihrer Stirn eher schlimmer. Lova vertrug keinen Alkohol; hatte sie noch nie.

„Dann verschiebe ich die geplante Rede über meinen Intellekt auf morgen." Viggo erhob sich und schob Lovas leeren Becher neben seinen. „Ich möchte dich schließlich nicht überfordern."

Lova hatte für die offensichtliche Spitze in seinen Worten nur ein müdes Schulterzucken übrig. „Wie gnädig", murmelte sie und rieb sich die Schläfen.

Viggo umrundete den Tisch und kam hinter ihr zum Stehen. „Kopfschmerzen, Liebste?", fragte er.

„Du hast ja keine Vorstellungen." Lova ließ den Kopf gegen seinen Brustkorb sinken. „Wenn ich noch ein Wort aus Dagurs Mund hören muss, stürze ich mich von einem Drachen."

Viggos eiskalte Hände legten sich auf Lovas Stirn. Die angenehme Kühle linderte ihre Schmerzen, doch als er zusätzlich mit sanftem Druck ihre Schläfen massierte, seufzte sie erleichtert auf und schloss die Augen. „Hör nicht auf", bat Lova, ihre Anspannung fiel in sich zusammen.

Viggos Fingerspitzen trafen genau den Punkt, der ihre Kopfschmerzen langsam, aber stetig verschwinden ließ. Sobald ihre gerunzelte Stirn verschwand und ihre Gesichtszüge weich wurden, wanderten seine Hände weiter zu ihrem Nacken und ihrer Schultermuskulatur.

Das tägliche Training hatte dort Spuren hinterlassen; Lovas Schultern waren völlig verspannt. Doch Viggo fand genau die Punkte, an denen seine Massage ihren Muskelkater minderte. Die Mischung aus seinen geschickten Berührungen und dem leichten Schmerz, wenn er auf eine verhärtete Stelle traf, ließen Lova dahinschmelzen.

„Verdammt..." Sie biss sich auf die Unterlippe, um ein genussvolles Stöhnen zu unterdrücken, als er eine weitere Verspannung löste. „Wo hast du das gelernt?"

Viggo fuhr ungerührt fort, obwohl ihre Geste – und deren Ursache – sicher nicht unbemerkt geblieben waren. „Ich war jahrelang ein Drachenjäger, Liebste", sagte er, „Ich musste mich mit Schlimmerem herumschlagen als einer banalen Verspannung."

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