Kapitel 64 - Viggo

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Elin erwachte auf wundersame Weise aus ihrem Schlaf, kaum, dass Lova und Ivar gegangen waren. Ihr goldblondes Haar war völlig zerzaust und hellrote Abdrücke auf ihrer Wange verrieten, dass sie den Steinboden ein wenig zu lange als Kissen zweckentfremdet hatte, doch ein verdächtig breites Grinsen lag auf ihren Lippen. Sie lachte sogar in sich hinein, während sie sich den Schlaf aus den Augen rieb und Viggo dabei auffällige Seitenblicke zuwarf.

„Gut geschlafen?", fragte er, mit so viel Ironie, wie er in seiner Lage aufbringen konnte.

„Hervorragend, nett, dass du fragst", setzte Elin an, dann hielt sie inne und runzelte die Stirn. Schließlich schnitt sie eine Grimasse in seine Richtung, als sie seinen sarkastischen Tonfall erkannte. „Wie lustig, Grimborn."

„Stets zu Diensten, meine Liebe." Viggo deutete eine halbherzige Verbeugung an, bis er das Blut bemerkte, das noch an seinen Fingerkuppen klebte. Hastig verschränkte er die Arme hinter dem Rücken, ehe Elin es bemerkte, auch wenn das dürftige Höhlenlicht die Flecken größtenteils verbarg.

Sie grinste wieder, während sie seine seltsame Verrenkung beobachtete. „Ich wette, das hast du Louvisa vorhin auch gesagt."

„Ich wusste es", sagte Viggo und schüttelte missbilligend den Kopf. „Du hast gelauscht."

„Erwischt." Nun war es Elin, die eine Verbeugung andeutete und dabei schmerzerfüllt das Gesicht verzog, weil die Bewegung ihren gebrochenen Fuß überstrapazierte. „Aber ihr wart nicht zu überhören, also ist es nicht meine Schuld."

Viggo hob abwehrend die Hände, obwohl er damit die Blutflecken erneut zur Schau stellte – da Elin ihnen allerdings ohnehin zugehört hatte, hatte er nichts mehr zu verbergen. „Niemand hat etwas von Schuld gesagt", gab Viggo zurück. „Das ist ohnehin ein dehnbarer Begriff – aber du hättest wenigstens den Anstand haben können, wegzuhören."

„Anstand?" Elin schnaubte. „Das ist auch ein dehnbarer Begriff."

„Redest du dir so all deine sozialen Fehltritt gut oder war das hier eine peinliche Ausnahme?"

„Nichts von Beidem; es war höchstens peinlich für dich."

„Peinlich für mich?" Ein Stirnrunzeln schlich sich auf sein Gesicht. „Inwiefern das?"

„Naja..." Elin biss sich auf die Unterlippe und wich seinem Blick aus, als wüsste sie, dass sie mit ihren folgenden Worten zu weit gehen würde. Doch natürlich hielt sie das nicht davon ab, weiterzusprechen: „Es ist ziemlich offensichtlich, wie wenig sie dich leiden kann und wie sehr du sie liebst."

In ihrem Tonfall lag eine Ernsthaftigkeit, die Viggo erstarren ließ. Ihm war bewusst, dass seine Hoffnungen hinsichtlich einer Besserung von Louvisas Zustand an wahnsinnige Verzweiflung grenzten. Es würde keinen plötzlichen Wendepunkt geben, kein göttliches Wunder, bei dem sie all ihre Erinnerungen wiedererlangen und sich in seine Arme werfen würde, aber...

Doch Viggo hatte nicht gedacht, dass er sich so schlecht dabei anstellte, es zu verbergen, wenn selbst Elin ihn durchschauen konnte. Andererseits, wer hatte ihn jemals nicht durchschaut, wenn es um Louvisa ging? Krogan, Illian, Ivar, selbst sein eigener Bruder Ryker... diese Aufzählung war nicht förderlich für Viggos Ego und sprach auch nicht für seine Schauspielfähigkeiten.

„Nun..." Selbstverständlich versuchte er dennoch, es zu überspielen. „Wir waren immerhin ein Paar. Es wäre mehr als nur ein wenig bizarr, wenn ich sie loslassen könnte, nur weil sie ihr Gedächtnis verloren hat, nicht wahr?"

Elin legte den Kopf schief und musterte ihn nachdenklich. „Ist das so?", fragte sie. „Wie lange wart ihr denn ein Paar?" Sie stolperte über das Wort, als hätte sie es noch nicht oft ausgesprochen. „Außerdem... du hast sie geliebt, bevor sie ihr Gedächtnis verloren hat. Sie kann unmöglich noch dieselbe sein."

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⏰ Letzte Aktualisierung: 5 days ago ⏰

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