Kapitel 9

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„Königin Mala ist gerade nicht verfügbar."

Lovas Hand verharrte auf dem Türknauf, als sie sich zu Throk herumdrehte. „Wie bitte?"

Der Mann verdrehte die Augen. „Mala ist nicht verfügbar."

„Wann hätte sie denn Zeit?" Lova musste ihren Fluchtinstinkt unterdrücken, als Throk näher herantrat. Auch wenn es unangenehm war, sich auf fünf Meter Entfernung anzuschreien, es war ihr doch lieber als die direkte Nähe zu ihm. „Es ist wichtig."

„Zeit?", wiederholte Throk. „Für dich nicht vor nächster Woche."

Lova biss die Zähne zusammen und hielt einen Fluch zurück. „Und warum nicht, wenn ich fragen darf?" Sie hatte Throk schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen nicht leiden können und Malas Handlanger war ihr stets mit Misstrauen begegnet. „Was ändert meine Identität an ihrem Zeitplan?"

Throk ließ seine Schultern rollen, seine Gelenke knackten.

„Das herauszufinden überlasse ich dir." Die Sonne fing das Metall seiner Waffe ein, ein silberner Lichtblitz blendete Lova. Irrte sie sich, oder klebten Blutspritzer an der Schneide?

Sie taumelte rückwärts, ihre Hand umklammerte den Türknauf. „Großartig", stieß Lova hervor. Ihr Atem beschleunigte sich, Panik umklammerte ihren Brustkorb und streckte ihre eisigen Klauen nach ihrem Herz aus. Die Luft in ihren Lungen nahm die Konsistenz von getrocknetem Blut an und verstopfte ihre Atemwege. Sie musste Throks Blick entkommen, ehe sie zusammenbrach. „Dann werde ich es herausfinden."

Sie riss die Tür auf und flüchtete sich hinein, ignorierte Throks Protest und seine donnernden Schritte. Ihre Finger waren schweißnass und zitterten, als sie den Riegel vorschob und die Tür verschloss. Lovas Beine gaben unter ihr nach und als sie zu Boden sank, schmerzte ihr Handgelenk, als würde man es ihr vom Arm reißen. Den Türknauf hielt sie wieder fest umklammert und die Panik überrollte sie in Wellen.

Die Welt vor ihren Augen wurde schwarz.

Lova spürte den kalten Steinboden, auf dem sie kauerte, und das raue Holz an ihrer Wange. In ihrem Daumen steckte ein Splitter, Schweißperlen brannten in der dazugehörigen Wunde. Sie konnte Throks Klopfen hören, seine gemurmelten Flüche und Gebete zu den Ahnen, doch selbst wenn Lova es gewollt hätte, sie konnte sich keinen Zentimeter bewegen.

Sie sehnte sich nach dem Wald, nach dem modrigen Duft von Herbstlaub und dem Gefühl von taufeuchtem Gras zwischen ihren Fingern. Selbst im Stall, umgeben von dutzenden, feuerspeienden Drachen, hatte sie sich sicherer gefühlt als in Malas Hütte. Wäre sie nur bei Dunja oder Finn oder Viggo, die mit sanfter Stimme auf sie einredeten, bis ihre Panikattacke endlich vorüber war. Wäre sie nur nicht allein zu Mala gegangen, sondern hätte Adajas Hilfsangebot angenommen und hätte auf sie gewartet.

„Louvisa von Vernell?"

In Malas Stimme schwang Überraschung mit und ihre schnellen Schritte waren leichter und leiser als sonst, ihre nackten Füße waren untypisch für die Königin. Die Person, die ihr folgte, war Lova dagegen unbekannt – seine Schritte schienen keiner Ordnung zu folgen, seine Sohlen kamen zu hart auf dem Steinboden auf.

„Schatz, sag mir, dass das nicht ist, wer ich denke, dass das ist." Seine Stimme dagegen kam Lova bekannt vor, doch es war lange her, dass sie ihn zuletzt gesehen hatte. So lange, dass sie die Erinnerung an ihn nicht wirklich greifen konnte. „Denn wenn es ist, wer ich denke, dass es ist, muss ich sagen, dass ich nicht dachte, dass es ist, wer ich denke dass es ist."

Was? Seine Worte waren zu schnell, zu seltsam für Lovas kreisenden Verstand. Sie fühlte sich, als würde ihr Kopf einen Looping nach dem anderen schlagen.

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