Kapitel 12

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 Im Flur von Adajas Haus duftete es nach gebratenem Speck und Lova steckte schnuppernd den Kopf durch die Küchentür. Dem Geruch der Gewürzmischung nach zu urteilen, handelte es sich bei diesem Frühstück um ein Familientreffen – auch das Lachen, welches durch die geöffnete Tür drang, sprach für diese These.

„Guten Morgen", sagte Lova laut, um die Aufmerksamkeit der Tischrunde auf sich zu ziehen, „Ihr amüsiert euch ohne uns, wie ich sehe?" Sie scherzte nur, auch wenn die Wirkung durch ihre ermüdete Stimme verzerrt wurde. In der letzten Nacht hatte sie nicht viel Schlaf gefunden.

„Ich bin ohnehin hier, um die Stimmung zu ruinieren." Viggo trat hinter sie und drückte ihre Hand. „Ich muss euch leider Adaja entführen, aber ich habe einen Pfand dabei."

Nehemia quietschte vor Begeisterung, als sie das Paar sah, und Finn lächelte mild über die Freude ihrer Tochter. Adaja dagegen erhob sich, während Dunja ungerührt weiter aß.

„Setz dich zu mir, Sonnenschein", nuschelte sie zur Begrüßung mit vollem Mund und winkte Lova herbei. „Wenn Viggo dich nochmal als Pfand bezeichnet, solltest du ihn übrigens auf dem Boden schlafen lassen."

„Deine hohen Ansprüche sind der Grund, warum du unverheiratet bist", sagte Adaja trocken von der Küchentür aus. Dann nickte sie Viggo zu. „Du bist zu früh, sehr gut. Glaub aber nicht, dass du deswegen eher gehen darfst." Und sie eilte voraus, den Gang entlang. Lova bekam gerade noch mit, wie Viggo die Augen verdrehte, da folgte er ihr auch schon mit schnellen Schritten. Als er vor drei Wochen wieder mit den Übungen angefangen hatte, war an einen Laufschritt nicht zu denken gewesen, doch sein neu gewonnener Ehrgeiz hatte bald Früchte getragen. Was allerdings auch bedeutete, dass Lovas Wettstreit mit Dagur schneller heranrückte, als ihr lieb war...

„Eine bessere Partie als Viggo Grimborn werde ich nicht machen, Dunja", sagte Lova, als sie sich auf Adajas verlassenen Platz fallen ließ. „Es sei denn, du hast einen Häuptling mit besserem Ruf in der Westentasche. Ansonsten habe ich keinerlei Kritik."

„Seine Kochkünste sind erbärmlich", erwiderte Dunja schulterzuckend. In den Morgenstunden war sie immer besonders reizend. „Und würde man wissen, dass er noch am Leben ist, könntest du dir von dem angesetzten Kopfgeld eine eigene Insel kaufen."

Lova grinste und lud sich Speckstreifen auf ihre Brotscheibe. Das Gebäck war so frisch, dass es noch dampfte. „Ich habe nichts gegen eine eigene Insel."

Nehemias Augen leuchteten, sie hüpfte auf ihrem Stuhl auf und ab. „Nimmst du mich mit?", fragte sie, „Wenn du eine eigene Insel hast, musst du uns mitnehmen."

„Sie muss gar nichts", tadelte Finn seine Tochter sanft und legte eine Hand auf ihre Schulter, um sie vom Kippeln abzuhalten, „Und ich bezweifle, dass Louvisa Viggo für eine Insel an einen Kopfgeldjäger ausliefern würde."

„Führ mich nicht in Versuchung", sagte Lova, winkte dann aber ab, „Nein, ich hatte für mein Leben genug einsame Inseln. Und ich kann den Sand nicht leiden."

Nehemias Kinnlade klappte herunter. „Sand ist super!", protestierte sie und versuchte, diesen Umstand mit großen Gesten zu beschreiben, „Wir müssen an den Strand gehen und Sandburgen bauen, damit wir deine Gehirnwäsche beheben können."

„Setz es auf die Liste", sagte Lova, „Einen Strandtag schaffen wir noch, bevor Viggo und ich aufbrechen."

Nehemia seufzte und lehnte sich an ihren Vater. „Ich will nicht, dass ihr geht", murmelte sie geknickt. „Ich werde euch vermissen, obwohl du keinen Sand magst."

„Du wirst frech, Kleine." Finn verpasste ihr eine Kopfnuss und kitzelte sie unter den Achseln, bis sich das Mädchen fröhlich kreischend unter ihm hervor wand und stattdessen zu ihrer Tante flüchtete. „Hier kriegst du mich nicht!", verkündete Nehemia und duckte sich hinter Dunjas rotem Haarschopf. „Ich hab ein Schutzschild."

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