Kapitel 51 - Elin

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Die Männer brachten sie in einer der Zellen unter, direkt gegenüber des Drachenjägers. Sein siegessicheres Grinsen war bald verschwunden, denn Illian hatte seinen Sieg wortlos hingenommen und war auf schnellstem Wege verschwunden. Elin konnte Grimborns Blick ansehen, dass er mit einer gänzlich anderen Reaktion gerechnet hatte.

Ivar dagegen – dieser schreckliche, selbstgefällige Bastard – hatte in sich hineingelacht und Grimborn mit spöttischen Bemerkungen bedacht. Er war es auch gewesen, der die Zellentüren abgeschlossen und eine Flasche mit goldgelbem Saft im Höhlengang abgestellt hatte, knapp außer Reichweite des (ehemaligen?) Drachenjägers. Er hatte etwas über ein „Gegengift" in sich hinein gemurmelt und erneut hämisch gelacht, als Grimborn daraufhin mit einem derben Fluch konterte.

Dieser Gefühlsausbruch passte nicht zu dem Bild, das Elin von ihm gehabt hatte, nachdem er selbst in der Arena einen kühlen Kopf bewahrt hatte. Allein bei dem Gedanken an seinen Kampf gegen den Skrill bekam sie eine Gänsehaut.

„Beeindruckender Kampf", sagte sie und trat an die Gitterstäbe ihrer eigenen Zelle heran. Der Boden unter ihren Stiefeln war von kleinen Pfützen voller Algen überzogen, die jeden Schritt mit einem Schmatzen untermalten. Nach dem Regenguss, denn der Skrill in der Arena verursacht hatte, war Elin von Kopf bis Fuß durchnässt. „Hat es Spaß gemacht, den Drachen zu quälen?"

Grimborn fuhr herum, sein schwarzes Haar klebte an seiner Stirn. Die Wunde in seinem Gesicht, die unterhalb seines Auges begann und sich bis zu seinem Hals erstreckte, war ausgefranst und blutverkrustet, seine Kleidung nass von Regen und Blut. Der Kampf gegen den Skrill hatte Spuren hinterlassen, und doch hielt er sich ohne ein Wanken auf den Beinen.

Beeindruckend. Elin konnte den Gedanken nicht zurückhalten. Aber auch beängstigend.

„Was willst du?" Seine Stimme war härter als noch in der Arena, die spielerische Leichtigkeit verschwand hinter Anspannung und... Furcht. Grimborns Blicke huschten immer wieder in die hintere Ecke seiner Zelle, welche die Schatten vor Elin verbargen. Selbst als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und neugierig zwischen ihre Gitterstäben hindurch spähte, konnte sie nicht mehr ausmachen als einen dunklen Umriss vor grauem Gestein.

„Nichts." Das war keine Lüge. Es gab nichts, was ein Flügelmädchen von einem Drachenjäger wollen könnte. Elin zog es vor, die Bekanntschaft letzterer zu meiden, auch wenn die Ereignisse der vergangenen Wochen anderes vermuten ließen. „Rein gar nichts."

Grimborn verdrehte die Augen – sowohl das dunkelbraune als auch das erblindete, das blaugrau aus den Schatten hervorschimmerte. Es passte nicht in sein Gesicht, genauso wenig wie die Wunde an seinem Hals oder die Brandnarben auf seiner Wange. Falls er einst Wert auf ein makelloses Auftreten gelegt hatte, so war dies Ivar und Illian zum Opfer gefallen.

Ob das alles war, was er an die Beiden verloren hatte?

„Ich bitte dich, das passt nicht zu dir, Elin", gab Grimborn zurück. „Jeder will irgendetwas. Es abzustreiten, macht dich nicht zu einem noblen Menschen, sondern zu einer Lügnerin."

Elin erschauderte, als der Blick des Drachenjägers sie gänzlich durchdrang. Es fühlte sich an, als könnte er durch sie hindurchsehen und jedes ihrer Geheimnisse an die Oberfläche zerren. War das der Grund, warum man ihn im ganzen Inselreich gefürchtet hatte? Vorstellbar wäre es.

Aber nicht bei den Flügelmädchen, erinnerte Elin sich selbst und straffte die Schultern. Bei den Flügelmädchen hatte man weder Viggo Grimborn, noch seine Jäger gefürchtet.

„Warum bist du hier?", fragte sie eilig, ehe der Mut sie verließ. Elins ewiger Starrsinn war in den dunklen, feuchten Höhlengängen der Drachenfängerbasis in die Brüche gegangen, obwohl sie vermutlich noch immer sturer war als die meisten. Ihre Neugier allerdings blieb unverändert.

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