Kapitel 55

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Diesmal kam Illian persönlich in die Höhle, um Viggo seinen Gewinn zu überreichen. Die Präsenz des Drachenjägers brachte die Wachen zum Verstummen, noch bevor er ein einziges Worte gesagt hatte. Noch immer legte Illian seinen Umhang nicht ab, sein Gesicht blieb in den Schatten verborgen, doch Viggo konnte dennoch eine ganze Reihe neuer Erkenntnisse vorweisen, als der Mann vor seiner Zelle zum Stehen kam.

Illian war hochgewachsen und schlank, auch wenn sein weiter Umhang seine Körperform großteils verbarg. Allerdings würde Viggo darauf wetten, dass sich unter dem schwarzen Stoff auch Muskeln versteckten – anders wäre es gar nicht möglich, das Leben eines Drachenjägers zu führen. Die Hände, die in weiten Ärmeln steckten, trugen zahlreiche Narben, die sich über seinen gesamten Handrücken erstreckten. Silbrig hoben sie sich von seiner Haut ab, deren Farbe Viggo leicht mit Lovas verwechseln könnte. Es war diese Mischung aus der sonnengebräunten Haut eines Seefahrers und der nordischen Blässe, die viele Wikinger gemein hatten – auch, wenn die Ähnlichkeit zu Louvisa verblüffend war. Vermutlich war es einfach der Hautton, den die meisten Inselbewohner in diesen Breitengraden teilten, weil sie alle gegen dieselben Unwetter ankämpften.

Doch das war es ohnehin nicht, was Viggos Aufmerksamkeit auf sich zog. Denn was Illians Hände hielten, war deutlich interessanter.

„Engelsfarn", sagte der Drachenjäger. Seine tiefe, markante Stimme hallte von den Höhlenwänden wieder, sodass es Viggo unmöglich wäre, ihn zu überhören. Selbst Elin, die in der Nachbarzelle schlief, zuckte bei dem Klang kurz zusammen, ehe sie sich die Hände auf die Ohren presste und weiterschlief. Lova dagegen bewegte sich nicht, einzig ihre flachen Atemzüge verrieten, dass sie am Leben war. Um sie zu wecken, brauchte es mehr als eine laute Stimme.

„Für das Gegengift?", fragte Viggo. „Eine weitere Zutat?" Er musste ein Ächzen unterdrücken, als er sich erhob, um seinen Gewinn entgegenzunehmen. Die Narben auf seinem Rücken brannten, als steckten erneut Pfeile darin. Der Schlafmangel und die kalten Höhlenwände forderten ihren Tribut.

„Du bist ziemlich wortkarg", sagte Illian, ohne auf seine Frage zu antworten. Nun, ohne den hallenden Unterton, den die Wände der Arena seinen Worten verliehen, konnte Viggo einen Dialekt aus seiner Stimme heraushören. Er kam ihm bekannt vor, doch er konnte nicht greifen, woher – dabei verfolgte ihn das unbestimmte Gefühl, es wissen zu müssen. „Eigentlich solltest du mir danken, weil ich dir Ivar erspart habe. Er würde keine Gelegenheit auslassen, Louvisa zu sehen, aber diesmal habe ich mir selbst die Ehre überlassen."

Viggo hob die Brauen und widerstand dem Drang, sich zu Lova umzudrehen. Wann immer er sie aus den Augen ließ, breitete sich Unruhe in ihm aus – als könnte sie ihm endgültig genommen werden, wenn er nicht bei ihr war. Illians Kommentar half nicht, diese Bedenken zu zerstreuen.

„Welche Ehre?", hakte Viggo nach. „Mit mir zu sprechen oder Louvisa zu sehen?"

Illian zuckte die Schultern und enthüllte dabei einen weiteren Teil seiner Unterarme. Auch über diesen Teil seines Körpers erstreckte sich ein Netz aus silbrigen Narben – die verschlungenen Muster könnten beinahe schön sein, wenn sie nicht aus blutigem Fleisch und großem Schmerz entstammen würden. „Beides", sagte Illian, während er seine Ärmel wieder über seine Arme schüttelte, um die Narben zu verbergen.Von den Wurzeln der Pflanze lösten sich ganze Brocken feuchter Erde, als hätte man sie gerade erst ausgegraben. „Aber ich wollte vor allem die Gelegenheit nutzen, die Frau zu sehen, die sich für einen skrupellosen Drachenjäger und Mörder opfern wollte."

„Geopfert hat", korrigierte Viggo und trat einen Schritt beiseite, um Illian den Blick auf Lova zu verwehren. Er wusste nicht, ob der Drachenjäger unter seiner Kapuze tatsächlich auf sie achtete, doch allein der Gedanke jagte kalte Schauer über seinen Rücken. „Ivar sagte, du wusstet, dass sie es tun würde."

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