Kapitel 61 (2) - Viggo

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Erinnert ihr euch noch an Louvisas "speziellen Wunsch" an Grobian, als sie auf Berk war? 
Nein? 

Dann möchte ich euch hiermit noch einmal ganz ohne Schadenfreude daran erinnern!

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Früher hatte Viggo es geliebt, wenn seine Zuhörer neugierig jedes Wort erwarteten, das über seine Lippen kommen würde. Er hatte eine unleugbare Schwäche dafür, im Mittelpunkt zu stehen, und er liebte seine langatmigen Reden. Doch davor, seine Lebensgeschichte vor einem Flügelmädchen und der Frau, die ihn hasste, auszubreiten, scheute er sich.

Es war nicht die Tatsache, dass er über seine Gefühle reden müsste (obwohl diese Vorstellung bereits unangenehm genug war), sondern vielmehr eine nicht ganz irrationale Furcht davor, wie Elin und Louvisa reagieren würden.

Seine Geschichte mit Lova war... kompliziert. Voller Verstrickungen und Wendungen, die er selbst nicht erfassen konnte – sowohl auf ihrer Seite, als auch auf seiner.

Deswegen hatten für Viggo in diesem Fall ausnahmsweise einmal nicht die Hintergründe gezählt, sondern das Endergebnis: Er liebte Lova und Lova liebte ihn. Das war die Tatsache gewesen, an die er sich klammern konnte, auch wenn er auf Nachfrage unfähig gewesen wäre, es zu erklären.

So war das eben mit den Tatsachen – man würde niemals in Frage stellen, ob auf den Winter der Frühling folgte oder ob bei Tagesanbruch die Sonne aufging. Es geschah einfach.

Und genauso hatte Viggo für eine wundervolle, viel zu kurze Zeit nicht hinterfragt, warum Lova ihn liebte und stattdessen einfach akzeptiert, dass es so war.

Vermutlich war das sein Fehler gewesen. In seinem typischen Hochmut anzunehmen, dass ihm weiterhin alles Gute in den Schoß fallen würde und selbst wenn das nicht geschah, dann würde er nicht diejenige verlieren, die ihn selbst durch seine schlechtesten Zeiten begleitet hatte. Doch am Ende war genau das geschehen, und in der Dunkelheit der Zelle blieb der Sonnenaufgang aus.

Als Illian sagte, er wollte Viggo alles nehmen, hatte er nicht übertrieben.

„Vor sechs Jahren hatte mein Bruder den genialen Einfall, eine Insel niederzubrennen", setzte Viggo an, weil es ihm wie ein guter Einstieg vorkam. Doch bereits diese Offenbarung löste bei Elin Verwirrung und bei Lova ein Stirnrunzeln aus.

„Ryker?", wiederholte sie. „Du schiebt ihm die Schuld zu?"

„So würde ich es nicht bezeichnen. Wir teilen uns die Schuld", erklärte Viggo beschwichtigend. Er rechnete dennoch mit einem weiteren, bissigen Vorwurf, doch der blieb zu seiner Überraschung aus. Lova musterte ihn weiterhin nachdenklich, doch sie schwieg, während ihre Augen vor Neugierde brannten. „Es war sein Vorschlag, aber wir stimmten gemeinsam mit Dagur darüber ab. Am Ende stellte Dagur sich auf seine Seite und ich habe nichts getan, um ihn davon abzuhalten – einen Umstand, den ich im Nachhinein bereue, doch es ist nicht mehr zu ändern."

„Besser spät als nie", kommentierte Elin trocken, während Lova weiterhin stumm blieb. Ihr Gesichtsausdruck allerdings änderte sich, die Verwirrung wich Schock und Wut. Der Blick, den sie ihm zuwarf, war voller verworrener Gefühle, sodass selbst Viggo ihn nicht deuten konnte – vielleicht stand sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch, vielleicht dachte sie darüber nach, ihn zu erwürgen, vielleicht beides zugleich.

Es wäre verständlich; sie hatte sechs Jahre ihres Lebens vergessen und die einzige Tatsache, an die sie sich geklammert hatte, wurde von ihm widerlegt. Lova war nichts geblieben außer Viggos Erklärungen. Plötzlich kam ihm sein ursprünglicher Plan, sie zu belügen, unendlich grausam vor.

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