Kapitel 24

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 „Zu Hel mit dieser verdammten Tür", fluchte Lova und verpasste dem Holz einen Tritt. Die feuchte Seeluft hatte es morsch werden lassen, Splitter und Staub barsten unter ihren Stiefeln. Eine weitere Staubwolke erfüllte die Luft, als sie sich auf den Boden fallen ließ. Von ihren Fingerspitzen lief ein Rinnsal Blut und landete auf ihrem Ärmeln, wo es bald trocknen und dieselbe Farbe annehmen würde wie die Flecken auf ihrem Kragen. „Du weißt nicht zufällig, wie man Schlösser knackt?"

Viggo, dessen Augen sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, verkniff sich ein Grinsen. Obwohl es in ihrer Lage nicht angebracht war, fiel seine Anspannung von ihm ab, wenn er Lova an seiner Seite wusste. Es war unmöglich, bei einer Frau, die so viele Drachen gezähmt wie Männer in die Knie gezwungen hatte, Angst zu haben.

Außerdem hielt Viggo nicht viel von dem Konzept der Furcht. Sich zu fürchten, weil man jegliche Maßnahmen des Verstandes und der Körperkraft ausgeschöpft hatte, war kein Grund zum Stolz. Ein plötzlicher Anflug von Mut war nichts als verspäteter Einfallsreichtum.

„Meine Kenntnisse sind zwar begrenzt", gab Viggo zurück, „Aber ich bezweifle, dass Gewalt dich zum Erfolg führen wird."

„Was für ein Genie du doch bist." Lovas Stimme quoll über vor Ironie, doch hinter ihrem Frust verbarg sich eine unleugbare Müdigkeit. Der Angriff der Kopfgeldjäger hatte Spuren hinterlassen – und damit meinte Viggo nicht nur die Schnittwunde an ihrer Kehle. „Falls du einen besseren Plan hast, ist dein Moment jetzt gekommen."

„Ich denke darüber nach", sagte Viggo und begutachtete das Türschloss. Als er mit den Fingern darüberfuhr, schnitt die verrostete Oberfläche in seine Haut – es aufzubrechen, war keine Option. Lova hatte sich die Fingerkuppen bereits blutig gerieben bei dem Versuch. „Aber ich befürchte, dass wir mit der Tür keine Chance haben. Immerhin sind wir sicher nicht die Ersten, die hier gefangengehalten wurden."

„Aber vermutlich die Ersten, die sich von den Fesseln befreien konnten", konterte Lova, vergrub die Hände in ihrem Haar und zog ihre Knie an die Brust. „Wenn wir es nicht aus dem Lagerraum schaffen, müssen wir gar nicht erst hoffen, dass die Drachen auftauchen."

„Wie willst du sie eigentlich zu dir rufen?", fragte Viggo. „Sie haben uns bisher nicht befreit, warum sollten sie es tun, wenn wir den Frachtraum verlassen haben?"

Lova schielte durch ihren Lockenschopf zu ihm hoch. „Wenn wir den Frachtraum verlassen und es uns gelingt, die Beiden auf uns aufmerksam zu machen, werden sie wissen, wo wir uns befinden", erklärte sie. Ihre Haltung wurde ein wenig aufrechter, als würde die bloße Erwähnung der Drachen ihre Hoffnung wiedererwecken. „Dann wissen sie, welchen Teil des Schiffes sie abfackeln dürfen."

Ein Grinsen breitete sich auf Viggos Lippen aus, als die Gedanken in seinem Kopf endlich ihre passenden Gegenstücke fanden. Er liebte diese Momente, in denen eine Idee begann, zu einem Plan zu werden.

„Warum sollten wir dafür den Frachtraum verlassen?", fragte Viggo und streckte die Hand nach ihr aus. Lova ergriff sie und ließ sich von ihm auf die Füße ziehen, Verwirrung zeichnete ihre Züge.

„Welche andere Möglichkeit sollte es geben?", fragte Lova zurück, doch Viggo schüttelte nur selbstzufrieden den Kopf. „Liebste, gib mir einen Augenblick und dir wird alles klar werden."

Lova packte ihn am Kragen, ehe er sich abwenden konnte. „Oder du erklärst es mir jetzt", schlug sie vor. „Ich liebe dich, Grimborn, theatralisch und skrupellos, aber das ist nicht die richtige Zeit für eine dramatische Enthüllung."

„Verzeihung, alte Gewohnheit." Viggo räusperte sich, seine Stimme eine Spur rauer als gewöhnlich. Als er zu Lova heruntersah, musste er dem Drang widerstehen, sie zu küssen.

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