Kapitel 28

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Mit Tränen, die in meinen Augen brannten, stürmte ich aus dem überfüllten Club und blieb keuchend am Hinterausgang stehen. Eine Welle purer Wut durchzog meinen Körper, als ich mich gegen die kalte Wand des Clubs lehnte und meine Blicke gen Himmel richtete.

Wie konnte er es wagen, vor meinen Augen mit einer anderen Frau zu schlafen und dabei noch dreist in meine Augen zu sehen? Die Tränen, die unaufhaltsam über mein Gesicht liefen, fühlten sich an wie ein Verrat an meinem eigenen Stolz. Mit zitternden Fingern wischte ich sie weg, bevor sie die Schande meiner Verletzlichkeit zeigen konnten. Wie konnte dieser Mann es schaffen, dass ich wegen ihm weinte? Es war mehr als mein eigenes Herz, das er verletzt hatte – er hatte meine Würde vor Alina zersplittert und mich vor Alexej gedemütigt.

Wie konnte dieser Mann von Loyalität sprechen, wenn er doch der personifizierte Ausdruck von Illoyalität war? Es spielte keine Rolle, ob er mich liebte oder nicht. Es ging um den Respekt, der mir erneut verwehrt wurde – von einem Mann, der es gewagt hatte, mich so zu behandeln. Seine Handlungen zeigten, dass er keinerlei Achtung vor mir hatte. Dies schürte meinen Hass auf ihn dermaßen an, dass ich mir nichts sehnlicher wünschte, als dass Alexej endlich Enes leben nahm.

Die Dunkelheit meines Zorns war von einer Erschöpfung durchdrungen, einer Erschöpfung, die aus jahrelanger Frustration entsprang. Wie konnte jemand, der behauptete, dass ich ihm wichtig sei, so eine Handlung setzen? Mein Wunsch nach Rache und Vergeltung war so intensiv, dass er beinahe greifbar wurde. Es war, als ob meine ganze Existenz danach verlangte, dass dieser Verrat gesühnt wurde – und Alexej war mein Werkzeug, um diesen Akt der Vergeltung zu vollenden.

Ich dankte Alexej, dass er mich heute dazu beauftragt hatte, in den Deal zu platzen, da ich sonst womöglich noch schwach geworden wäre und Enes nicht ausgeliefert hätte.

Ein brodelnder Hass durchzog jede Faser meines Seins, und Enes wurde zum Mittelpunkt meines abgrundtiefen Zorns. Doch inmitten dieses Hasses nagte eine noch zerstörerischere Emotion an mir – die Verachtung für mich selbst. Denn ich hatte mich zum ersten Mal in meinem Leben sicher gefühlt in seiner Nähe.

Die Frage, wie ich es hatte zulassen können, dass dieser Mann so intim meine Grenzen durchbrach, zerrte an meinem Selbstbewusstsein. Jede Berührung schien wie ein Verrat an meiner eigenen Würde. Wie hatte ich nur zulassen können, dass er sich ein Stück von mir nahm? Wie hatte ich mich unter seinen Berührungen so sicher fühlen können? Wie hatte ich seine Blicke auf mir bloß so genießen können.. die Blicke, mit denen er auch Alina angesehen hatte.

„Enes Rudaj, ich hasse dich!", schrie ich wutentbrannt, meine Fäuste schlugen mit voller Wucht gegen die Clubwand. Der Schmerz in meinen Händen fühlte sich beinahe erleichternd an im Vergleich zu dem, was sich in meiner Brust abspielte. Das Bild von Enes und Alina, stöhnend und intim, brannte sich in meine Gedanken ein, während mein Atem stockte. Meine Hände krampften sich zu Fäusten, und mein Herz schien sich schmerzhaft zusammenzuziehen, als sich die bittere Erkenntnis festsetzte: Ich hatte wieder einmal recht gehabt. Jeder Mann war gleich, ein kaltherziger Mistkerl, der Freude daran fand, Frauen Leid zuzufügen.

Was hatte ich dem Universum angetan, um das zu verdienen? Ein wahrhaftiges Paradox schien sich vor mir auszubreiten. Oder war es womöglich Karma für die Lüge, die ich Tina aufgetischt hatte? Immerhin glaubte sie, dass ich nur wegen dieses Vorwandes in den Club gegangen war, und nun stellte sich heraus, dass Enes mich tatsächlich betrogen hatte.

Die in mir aufsteigende Wut hatte nichts mit Gefühlen für ihn zu tun, nein, da ich keinerlei Gefühle für diesen Mann hegte. Es ging ums Prinzip. Wieder einmal hatten Männer den Gedanken, dass sie sich nehmen konnten, was sie wollten. Und dann waren sie auch noch so dreist, so wenig Respekt zu zeigen, dass sie ihre eigene Frau vor so vielen Menschen erniedrigten.

Don't touch meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt