Der König hatte angeordnet, dass sein Sohn isoliert wurde. Schutz und Strafe gaben sich über seinem Krankenbett die Hand und beide Hände gehörten Astar Alessandrini dem Zweiten.
Der Herr über alles, was auf diesem bemitleidenswerten Planeten noch lebte, schritt auf dem Weg zu einer Versammlung seines Kabinetts durch einen Sonnendurchfluteten Gang. Vögel zwitscherten und sanft wiegten sich die Äste im Garten der Königin im Wind. Er genoss die Sanftheit der Szenerie, auch wenn er das nie zugegeben hätte. Zwei Gardisten sahen ihn kommen und nahmen krampfhaft Haltung an. Beide Männer waren muskulöser als der König, doch das tat nichts zur Sache. Hinter den blauen Visieren mussten sie ihre Angst nicht einmal verbergen. Astar nahm sie trotzdem mit mildem Wohlwollen zur Kenntnis. Die dummen Gardisten verehrten ihn, die klügeren wussten, dass sie gut daran taten, ihn zu fürchten. Die Königsgarde hatte kein Recht auf einen Prozess, falls sie ihren Pflichten nicht nachkamen. Ihr Schicksal hatte er in der Hand, wie die Hohe das Schicksal ihrer Wachposten. Nach altem Gesetz war er selbst die oberste Wache der Stadt, oder zumindest wurde der Monarch in den alten Texten so bezeichnet. Doch Astar hatte das immer schon für zu undifferenziert gehalten. Wenn, dann war sein Sohn die oberste Wache der Stadt. Ob in den Kolonien oder zuhause im Palast, Julian hatte mehr mit einem Königsgardisten gemeinsam, als die Welt dachte. Astar dachte flüchtig an seinen Sohn, der auf dem Familiensitz seiner Frau wieder zurück ins Leben gepflegt wurde. Daran, wie er seine Pflichten vernachlässigt hatte. Daran, wie das Reich Julian fürchtete, aber Julians Leben von seiner Hand hing, wie der Faden eines Puppenspielers. Ein Wort von ihm und der General, der Katania gebrochen hatte, würde sterben. Fern seiner geliehenen Armee, fern seiner bestochenen Bewunderer. Und wenn er es tat, würde sein Sohn genau wissen, wer den Faden gekappt hatte, der ihn aufrecht hielt. Macht endete nicht am Stammbaum, sie war darin verankert.
Astar ließ die Wachen hinter sich. Links von ihm zogen sich zwei Dienstboten mit gebeugten Köpfen in die Schatten zurück. Eines der Mädchen hatte ihm vor einigen Jahren einen Bastard geboren. Das Kind lebte nicht mehr, das Mädchen nur, weil Florence sich für sie eingesetzt hatte. Sie war nun Teil des Hofstaats der Königin, ein Mahnmal an ihn, das ihn aber nicht mit Reue, sondern immer noch mit Begehren erfüllte. Begehren hatte er viele, aber nur wenige ließ er an die Oberfläche sprudeln. Manchmal brachen sie hervor. Doch dann immer an Orten, wo sie niemand sehen konnte. In Schlafzimmern von Dienstboten, in dunklen Ecken, in den Suiten seiner Familie. Immer hinter geschlossenen Türen. Die Geschichten gab es natürlich, das Geflüster, das ihm folgte. Über jeden Herrscher wurde geredet und er zog es vor, genau zu wissen, worüber sie alle sprachen. Er sorgte dafür, dass es immer etwas gab. Nichts, was ihm gefährlich werden könnte, nur genug, um sie die Augen abwenden zu lassen, wenn sie ihn sahen.
Astar erreichte sein unvollständig anwesendes Kabinett. Er wusste, wie er auf Menschen wirkte, wenn er auf sie zu kam. Groß und hager hatte er das gute Aussehen seiner Jugend eingetauscht gegen eine Autorität, die einem nur hässliche Erfahrung verlieh. Er eilte nie irgendwohin, rannte nie. Jeder seiner Schritte fiel mit der gleichen Endgültigkeit wie seine Worte. Die Krone war seine Krux, sein Schicksal, sein Segen und vor allem: seine. Er war geboren für dieses Amt und das Amt auszufüllen war ihm natürlich. Niemand anderes konnte so regieren wie er. Niemand sonst hatte den Regentenzyklus des Atheneums vollständig durchlaufen. Nicht einmal sein Sohn.
Sein innerer Zirkel war unruhig. Da war der Baron von Arete, mit seinen zurückgekämmten Haaren und den unruhigen Augen, der Herzog von Eredia, der verlässlich seine Machtposition ausbaute und sich wohl bald einer Mauer gegenüber sehen würde. Ein Priester, der Dadaan Adelen ersetzen sollte, aber dabei nicht halb so eine beeindruckende Figur machte. Florence kam zu spät, vermutlich aus Protest. Ermüdend.
„Herrschaften", sagte der König sanft. „Wir haben viel zu besprechen."
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Skythief - Gefallene Sterne [2024 Version]
Science FictionIn den Narben, tiefen Schluchten am Rande der Hauptstadt eines Imperiums in der Zukunft, ist Cress Cye als rechte Hand eines Verbrecherfürsten gefürchtet. Die alten Monster, die dort in den Tiefen leben, kennt sie gut. Doch als eines davon so viel S...