Renés Angst zog Kreise. Sie hatte den Druck der öffentlichen Meinung in dieser Hinsicht stärker gespürt als Julian und er verschwand nicht, weil er in die Narben gesprungen und seinen Körper zu Grund gerichtet hatte. Die Hochzeit würde kommen, sie war bereits in aller Munde. Ein Versprechen gegenüber dem Volk und Renés Familie. Eine Allianz, die die ganze Zeit auf Vorschuss gelaufen war und jetzt ihren Preis forderte. Das hieß nicht nur, dass Julian zum Altar gehen sollte.
„Ich habe ihr gesagt, dass ich mit meinem Vater sprechen kann."
„Wir wissen beide, dass sie das weder will, noch dass es irgendeinen Sinn hätte."
Nico ließ sich in den Sessel sinken, der Julians gegenüber stand. Sein Cousin warf ihm einen vorsichtigen Blick zu. So vorsichtig, wie es der Erbe der Welt nötig hatte. Es gab Nico eine andere Perspektive auf Julian, dass sie ihn heiraten würde. Er wusste, dass sein Cousin in der ganzen Stadt Augen auf sich zog für seine Schönheit. Dass er sich den Respekt der Soldaten härter erarbeitet hatte, als alle anderen deswegen. Wie fatal, dass ausgerechnet er es sein musste.
„René will nicht mich, aber sie will die Krone", sagte Julian, als könne er Gedanken lesen.
Nico beobachtete, wie die Flammen am Marmor leckten. Er fühlte sich taub. Die Wut war hilflos und sie richtete sich genauso sehr gegen sich, wie gegen sein Gegenüber, wie gegen René. Keiner von ihnen hatte kommen sehen, was hier passierte.
„Ich weiß."
„Ich werde sie heiraten, Nico", sagte Julian bitter. Er sagte es, als wäre es eine Todesnachricht. „Sie hat Recht, ich schulde es ihr. Wenn sie die Königswürde will, dann soll sie sie bekommen."
Nico starrte auf seine Hände hinunter, die inzwischen wieder ruhig waren. Er hatte sich so gefreut, dass Julian zurück war und erst später daran gedacht, was das alles für ihn bedeuten würde. Dass die Krone nicht an ihn fallen würde, war eine Erleichterung. Doch die Königin ...
„Ich werde nicht versuchen, sie einzuschränken oder von dir fernzuhalten. Mein Ruf ist mir gleich, das weißt du."
„Ihr Ruf ist mir aber nicht egal."
Sie sahen sich an.
„Es tut mir leid", schloss Julian letztendlich. „Ich hätte nie gedacht, dass ihr beide zusammenfindet. Ich wäre nicht zurückgekommen, wenn ich es gewusst hätte."
Nico schüttelte den Kopf. Das schlimme war, dass er ihm glaubte. Wenn er eine Nachricht in die Kolonien geschickt hätte, wäre Julian dort geblieben, bis die Hochzeit vorbei gewesen wäre. Bis René seine Frau gewesen wäre. Er war selbst Schuld an seinem Leid, weil er zu viel Angst vor Julians Rekation gehabt hatte.
„Wir sind froh, dass du hier bist. Vergiss das nicht. Aber nicht einmal du kannst alle Dinge ändern. Du bist einer der mächtigsten Menschen auf diesem Planeten und nicht einmal du darfst haben, wen du liebst."
Julian senkte den Kopf. Wenn er die Wahl bekommen hätte, hätte er keinen Gedanken mehr an die Hochzeit verschwendet.
„Ist das nicht schön?", fragte Nico das Feuer. „Du heiratest René, obwohl Victoria am Leben ist. Ich warte, bis meine Familie die nächste Allianz ausschachert und wir sind beide so unglücklich, wie es sich kein Schriftsteller ausdenken kann."
Julian lächelte nicht. Sein Blick ging in die Ferne, genauso stumpf wie Nicos.
„Shakespeare hätte seine helle Freude, denkst du nicht?", legte dieser noch einen drauf. „Julian der Vierte."
„Noch bin ich kein König", murmelte er. „Noch nicht."
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Skythief - Gefallene Sterne [2024 Version]
Science FictionIn den Narben, tiefen Schluchten am Rande der Hauptstadt eines Imperiums in der Zukunft, ist Cress Cye als rechte Hand eines Verbrecherfürsten gefürchtet. Die alten Monster, die dort in den Tiefen leben, kennt sie gut. Doch als eines davon so viel S...