10 - Palast, Salon des Kronprinzen

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Sie warteten zu sechst im Salon von Julians Suite, als er zurückkehrte. Der Raum hatte sich nicht verändert und es hatte niemand darin gelebt, während er weg gewesen war. René, Finja, Nicolas, Will und Oliver hatten sich allerdings nicht wie sonst in seine Sessel gefläzt, sondern standen alle am Kamin, in dem nun wieder ein Feuer brannte. Er umarmte sie nacheinander, roch die vertrauten Parfumdüfte, wischte seinen Freunden Tränen von den Wangen und war selbst mit einem Mal so glücklich, dass es kaum zu ertragen war. Seinem Vater seine Aufwartung zu machen, war wie ein Geschäftstermin gewesen. Das hier war seine Familie. Diese Menschen hatten ihn vermisst und er hatte sich nach ihnen gesehnt unter dem fremden Himmel.

„Was ist in diesem Drecksloch passiert, während ich weg war?", fragte Julian und zündete sich eine der teuren Zigarren an, die er aus Katania mitgebracht hatte. Über ihm funkelten die Kronleuchter. Vor den Fenstern blitzten die Lichter der Hauptstadt. Die Luft im Palast war parfümiert. Es war einer der Gründe, wieso er hier so gerne rauchte.

„Spannungen zwischen den Familien, die um Renée gebuhlt haben. Sowie dem König natürlich", fing Will an. Die Zigarren waren für ihn gewesen. Ein Geschenk, weil der Reisende wusste, dass Will ihn um jeden Kilometer beneidet hatte, den er selbst sich von diesem Palast entfernt hatte. Julian hob eine Augenbraue in Richtung seiner Verlobten, die auf einem seiner Sofas saß und eine lange kupferne Haarsträhne um ihre Finger drehte.

„Sie kamen mir friedlich vor."

Renée schenkte ihnen ein Lächeln, das Stein zum Weinen bringen würde. Nico hatte ihn schon auf den neusten Stand gebracht und ihm die Namen derjenigen genannt, die im Rennen um ihre Hand gewesen waren.

„René hat sie tanzen lassen", murmelte Oliver. „Es war ein Trauerspiel. Calisto van Hyde hat wortwörtlich für sie getanzt. Es hat ihn nicht einmal interessiert, dass ich im Raum war."

Das Lächeln wurde noch breiter. Calisto, Sohn eines mächtigen Präfekten, war ein stolzer, ernster Mann. Wohl immer, außer die zukünftige Königin der Welt schlug ihre Krallen in seinen Verstand.

„Jedes Mal, wenn ich schlechte Laune hatte, habe ich daran gedacht, dass es Männer gibt, die dir den Hof machen müssen", kommentierte Will in Richtung der Prinzessin.

„Dürfen", korrigierte sie spitzfindig. „Die wollen es nicht anders."

„Du machst mich stolz", machte Julian hoch ironisch in Renés Richtung. Sie klimperte mit den Wimpern.

„Ich wette, du warst ein Heiliger in den Kolonien."

Julian antwortete nicht. Plötzlich und heftig lag eine Spannung in der Luft. Julians Freunde kannten ihn gut, aber sie hatten ihn drei ereignisreiche Jahre lang nicht mehr gesehen. Sie wussten nicht, wie sie reagieren sollten auf seinen Stimmungsumschwung. Auf die Implikationen. Dann ruderte René zurück.

„Ich habe treu deine Rückkehr erwartet. Deine und die meiner Krone."

Der Kronprinz schnaubte und trank. Dass die Situation unvermeidbar gewesen war, hieß auch in diesem Fall nicht, dass sie ihm gefiel. Es war gefährlich, wenn diese Männer dachten, dass sie Anspruch auf jemanden erheben konnten. Doch er hatte schon bemerkt, dass sein zuvor schlechter Ruf sich gewandelt hatte, während seiner Abwesenheit. Er hatte die Kuppel verlassen, Exklaven regiert und nur das wenigste von den Dingen, die er getan hatte, war tatsächlich in der Hauptstadt angekommen. Niemand wusste, was man ihm zutrauen sollte.

„Servantes-Alin und de la Choix haben im Parlament Unruhe gestiftet. Ich denke, du solltest dir das ansehen vor der Sitzung morgen."

„Werde ich. Sag mir lieber kurz, was du in den Gemächern meiner Verlobten getan hast."

Skythief - Gefallene Sterne [2024 Version]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt