„Uns läuft die Zeit davon."
Sie hatten es geschafft, sie hatten das Unmögliche möglich gemacht, waren so tief frei abgestiegen, wie wahrscheinlich noch nie jemand es so leicht gepanzert getan hatte. Nun brach alles auseinander. Sie musste einbrechen, die Erinnerung finden und mit Julian zum Treffpunkt zurückklettern, bevor die Cyborgs kamen. Noch war der Regen leicht, kaum ein Nieseln. Das würde sich ändern. Und an diesen Wänden hinaufzuklettern, wenn Wasser an ihnen herunterrann ...
„Ruhig", mahnte sie der Prinz, obwohl sie kein Wort gesagt und keinen Muskel bewegt hatte.
„Wir sind vorbereitet."
„Darauf kann man sich nicht vorbereiten, glaubt mir."
Er zuckte die Schultern. Sie wusste nicht, ob es eine Farce war, oder ob er sich wirklich so sehr selbst überschätzte, dass er dachte, sie beide könnten einer aufsteigenden Horde Monster alleine entgegentreten. Die Bilder aus dem Hauptquartier der Clubs brachen wieder über Cress herein. Vielleicht wäre sie auch etwas entspannter, wenn der Angriff nicht vor so kurzer Zeit gewesen wäre.
„Augen auf das Ziel. Holt die Erinnerung und wir sind hier weg, bevor es anfängt."
„Dass Ihr mich umbringen wollt – in Ordnung, verständlich", sie nahm eine weitere Granate entgegen. „Aber dass Ihr nicht sofort abhaut, ist wirklich sehr dumm."
„Würdest du lieber alleine hierbleiben?", fragte er nach.
Sie verstummte.
„Ich verstehe dein Spiel nicht", sagte sie. Seit er ihr verkündet hatte, dass er mit ihr abstieg, hatte sie versucht zu verstehen, wieso. Es fühlte sich an, als hätte er gewonnen, weil sie es zugab.
„Vielleicht musst du nur wissen, dass ich hier draußen bin und dir Richtungsanweisungen gebe", sagte er. Das war eine seiner Aufgaben – von den Brücken aus behielt man sie auf dem GPS im Auge, aber die Schluchten und die Mauern des Komplexes konnten zu ausfällen der Funkverbindung führen. Nicht bei der Frequenz, auf der sie mit Julian verschaltet war.
„Pass auf dich auf, Cress Cye", sagte er. „Ich habe keine Lust, dich retten zu kommen."
„Ist das nicht das, was Prinzen tun?", fragte sie, als sie schon halb über der Kante hing.
„Bis später."
Es klang nicht nach viel, aber in diesem Kontext war es ein Versprechen. Niemals würde er nachkommen, falls sie in Schwierigkeiten geriet. Falls man sie erwischte, konnte niemand herausfinden, zu wem sie gehörte. Sie war ein Geist. Wenn man ihn hier fand, dann musste niemand fragen, wem er diente, denn er diente ausschließlich sich selbst. Sie war auf sich gestellt ab hier. Die Wand aus Tod und Verderben, die der Kronprinz in ihrer Wahrnehmung darstellte, blieb hinter ihr zurück. Das war kein Problem, sie war das gewohnt, doch die Angst saß ihr trotzdem im Nacken, als sie sich auf das Dach des Komplexes abseilte. Sie stieg durch eines der Höllentore ein, wie sie die großen Öffnungen, während ihrer Planungstreffen getauft hatten. Cress kannte das Gebäude. Sie hatte den Plan auf ihrem GPS, aber sie brauchte ihn nicht. Sie kannte das System der Raumanordnung, wusste wo Treppen abgingen und Gänge sich gabelten. Sie tauchte ein in die Festung in den Narben und konnte nur beten, dass sie wieder lebendig herauskommen würde.
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Skythief - Gefallene Sterne [2024 Version]
Science FictionIn den Narben, tiefen Schluchten am Rande der Hauptstadt eines Imperiums in der Zukunft, ist Cress Cye als rechte Hand eines Verbrecherfürsten gefürchtet. Die alten Monster, die dort in den Tiefen leben, kennt sie gut. Doch als eines davon so viel S...